Die letzte Woche habe ich nach über einem Jahr digitalen Lesens wieder meinen ersten Roman in Papierform gelesen.
Jetzt war ich fast geneigt, zu schreibe: meinen ersten echten Roman seit einem Jahr…
Schnell sind wir geneigt, das Lesen in Papierform als irgendwie echter zu sehen als das digitale Lesen an einem Lesegerät. Mir fehlen ein wenig die Worte: echter, ursprünglicher, näher am Lesen selbst dran, etc.
Versteht ihr, was ich meine?
Das Rauschen des Papiers, sein Geruch, der Wert des Buches, das Stellen des Buches in ein Regal, das Cover…all dieses Drumherum ist ja beim digitalen Lesen völlig bedeutungslos. Man könnte es reduziert nennen: minimalistischer, futuristischer…
Wo gibt es aber noch Unterschiede?
Dieser Beitrag enthält unbezahlte Werbung, da ich mit einer Empfehlung auf ein bestimmtes digitales Buch verweise. (Team Tolino)
Das Lesen des nicht-digitalen Wortes hat mich nach einem Jahr Abstinenz überrascht:
1. Der Orientierungssinn beim Lesen
Der Orientierungssinn beim Lesen ist eine erstaunliche Sache. Ich denke, das ich nicht die einige bin, die nicht ein Buch in einem Rutsch durchliest. Das ist ja auch nicht Zweck eines Buches. Man liest die Geschichte in Häppchen, hört auch, läßt das Buch liegen, fängt wieder an. Wie geht man nun in diesen beiden unterschiedlichen Leseformaten damit um?
Digital
äußerst einfach: das Gerät merkt sich die Stelle des letzten Lesens. Ich pflege mein kindle einfach zu zu klappen (die Schutzhülle zu zu klappen….) und das Gerät schalte sich aus und wenn ich es öffne, fährt es wieder hoch und ich lese an dieser Stelle weiter.
aber das ist noch nicht alles…
Die zu lesenden Worte sind nur auf einer Seite, die auch noch verstellbar wäre, zu sehen. Sprich, ich orientiere mich nur auf einer einzigen Seite beim Weiterlesen…die richtige Stelle in einem so begrenzten Raum ist schnell gefunden…ich lese weiter…
Papier
ich staune…ich lege beim Aufhören ein Lesezeichen zwischen zwei Seiten und klappe das Buch zu. Beim Wiederaufklappen suchen meine Augen die Doppelseiten ab und ich muss gestehen, ich habe den Suchlauf verlernt. Am Anfang stolpere ich öfter, ich brauche länger…wo war ich noch mal? Zwei Seiten abzusuchen überfordern mich, nach nur einem Jahr. Ich brauche 4 oder 5 Unterbrechungen bis ich wieder in meinen alten Rhythmus komme und nun werden Kapitel und die Setzung des Lesebildes wieder wichtig. Beim digitalen Lesen ist das sehr viel unwichtiger: Setzungen oder Kapitel verschwinden in ihrer Bedeutung…wie gesagt, ich staune, damit hätte ich nicht gerechnet.
2. Beim Lesen von Papier ist man technisch unabhängig
Pustekuchen, dass dachte ich auch immer, aber jetzt fällt mir auf, dass ich ja auf elektrisches LICHT zu achten habe beim Papierlesen. Im Schwimmbad lege ich mich mit meinem papierenen Buch in eine dunkle Ecke, klappe es auf und konzentriere mich…arg…da fällt mir auf, dass ich früher immer automatisch auf Lichtquellen beim Lesen geachtet habe. ich sehe mich um und suche mir einen anderen Platz mit einer Lichtquelle. So ist das mit dem Papierbuch ,man ist völlig unabhängig, jaja. Das digitale Lesegerät hat mir das mit dem Lichtsuchen abgewöhnt. Es kommt ja schon mit Licht. Ich habe heimlich unter dem Bettchen meines Kindes gelesen, mit dem blau schimmernden Licht des Kindles und habe mit einer Hand die Kinderhand gehalten mit der anderen das Kindle…mit dem großen dicken Buch geht das nicht mehr…ganz zu schweigen, dass mir unter dem Bett meines Kindes auch die Lichtquelle fehlt.
3. Lesen inkognito
Klar, das Lesen mit einem papierenen Buch ist auffällig. Meine Kinder erkennen, dass ich ein Buch lese. Die Frau in der U-Bahn mir gegenüber erkennt es auch. Sie weiß welches Buch und ich muss es umständlich halten, weil es so schwer und dick ist.
Ein Kindle klappst du auf und es ist da. Lesen wird zu einer viel größeren Häppchen-sache. Es lohnt sich immer und überall und keiner sieht, was du liest. Lesen inkognito.
Natürlich erkennen es auch meine Kinder nicht…und da ist die Frage, ob ich nicht im Sinne des „Vorlebens“ auch mal ein Papier-buch lesen sollte. Am Ende gucken sie, wenn sie älter sind, diesen Blog durch und schütteln bei den Rezensionen den Kopf: , wir wussten gar nicht, dass du so gerne Bücher liest…ja, das könnte passieren.
4. Die Chance der Geschichte
Das ist jetzt auch wieder so ein kleiner Unterschied, der wirklich komisch ist. Beim Lesen eines Papierbuches bin ich mir stehst bewußt, wie viel ich gelesen habe und wie viel noch kommt. Ich bereite mich innerlich auf das Ende vor. Ich gebe der Geschichte am Anfang eine Chance, sich zu entwickeln.
Diesen Aspekt gibt es beim digitalen Lesen nicht. Ein Buch muss mich schnell begeistern, am besten noch während einer kleinen kostenlosen Leseprobe und ich bin vom Ende überrascht, wenn es nicht inhaltlich vorbereitet wird. So kann es durchaus sein, dass ich ein Ende abrupt finde, wenn ich das Buch in digitaler Form lese, denn beim Papier-Buch sieht man es einfach schon kommen: Das gute Ende. Ob das das Schreiben verändern wird? Was, wenn Kapitel unwichtig werden und ein Ende auch inhaltlich gut vorbereitet sein will?
5. Wer weiß, was ein echtes Buch ist?
Ich streiche über die Seiten meines Papier-Buches. Es riecht nach Bibliothek. Ein bisschen muss ich seufzte, denn dieser Geruch ist klar für mich eine Kindheitserinnerung. Ich lese las früher viel aus öffentlichen Bibliotheken. Ich schätze aber auch den Geruch, den Bücher haben, wenn sie ganz druckfrisch neu sind. Herrlich.
Aber irgendwie finde ich das Buch auch gammelig. Ich finde auch, dass es eine Platzverschwendung ist und eine Angeberei, wenn man es als Trophäe im Bücherregal aufbewahrt. Dabei sind diese Bücher nicht besonders kostbar in ihrer Aufmachung.
Früher – und damit meine ich WIRKLICH früher – wurden Bücher von Hand in Klöster geschrieben. Die Anfangsbuchstaben waren Schnörkel und kleine Bildchen. Sie waren wirklich kostbar. Ob sich der alte Mönch, der sein Leben lang Bücher abgeschrieben hat in seiner kleinen Schreiberkammer dasselbe gedacht hat, wie manche Leute in unserer Zeit, wenn sie das digitale Buch verteufeln. Was dachte er, als die ersten Bücher gedruckt wurden? Hat er auch gesagt: Jetzt stirbt das echte Buch…
Was hätte er zu meinem „billigen“ Bibliotheksbuch gesagt? Hätte er es in die Hand genommen und gesagt: Himmel, das ist ja gar nicht Leder! was sind das für graue Seiten! Was ist das für eine hässliche Schrift!
Vielleicht hätte er mich angesehen und mir erklärt, dass ich wohl noch nie in meinem Leben ein wirklich echtes Buch in Händen gehalten habe…
So, wie die Papier-Bücher-Leser es den digitalen Lesern sagen…
Wer weiß…
Update 2020:
Inzwischen habe ich mich vom kindle verabschiedet und mir ein Tolino geholt. Mich nevt, dass man über das kindle nicht in den öffentlichen Bibliotheken ausleihen kann. Das kindle von amazon unterstützt nicht andere Dateiformate. Das sollte man bedenken.
Welche Erfahrungen habt ihr so gemacht? Welche Form bevorzugt Ihr? Ist euch noch was anderes aufgefallen? Sind euch meine Unterscheide gar nicht aufgefallen? I´m interested!
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11 Comments
Larissa//No Robots Magazine
12. Februar 2015 at 14:24Ich habe noch nie ein digitales Buch gelesen. Ich bin grundsätzlich nicht so ein Fan davon, alles digital zu machen. Obwohl ich schon darüber nachdenke, auf digital umzusteigen. Weil ich wirklich keinen Platz für riesige Bücherregale habe und mich gerade wieder ärgere, dass ich alle meine teuer erworbenen Bücher irgendwie verramschen muss. Und weil Bücher wirklich oft schwer und unhandlich sind.
ABER: Ich finde es nicht so toll, dass digitale Bücher das gleiche kosten wie gedruckte … ohne Papierkosten, ohne Lagerkosten, ohne Transportkosten, etc. Ich bin immer dafür, dem Autor seinen Lohn zukommen zu lassen, aber hier verdient doch nur der Verlag extra (und dafür sparen sie nur wieder an den Lektoren, sodass die Bücher voller Fehler sind). Da macht die Buchpreisbindung auch nicht so viel Sinn. Und dann kann ich Bücher nicht mal verkaufen. Ausleihen ist auch nicht mehr so einfach. Geht zwar in der Bücherei, aber auch nicht für alle Reader. Überhaupt Reader: Nur Amazon oder gar nicht Amazon? Finde ich auch doof. Das bringt mich alles noch nicht dazu, auf digital umzusteigen.
fadenvogel
12. Februar 2015 at 14:58ja, ich fand es am Anfang auch blöd, das mit amazon. Aber mein Kontakt zu den selfpublishing-Autoren hat mir gezeigt, dass amazon in diesem Sinne toll für sie ist. Es muss echt einfach sein, dort ein Buch zu veröffentlichen. Nicht alles, wo amazon draufsteht, ist Teufelszeug. (Aber vieles…da hat du natürlich auch recht…). Meinen kindle kann ich und habe ich aber auch mit anderen Sache gefüttert…nur amazon ist nicht mehr notwenig. Ich bemühe mich mal, ein Buch digital auszuleihen. Vielleicht ist das auch meine Zukunft. Bei vielen Produkten ist mir der Preis auch zu hoch.
Larissa//No Robots Magazine
16. Februar 2015 at 09:11Ich verteufle Amazon auch nicht, deswegen finde ich das „ganz oder gar nicht“-Prinzip ja doof. 😉 Hat Amazon denn mittlerweile das ePub-Format, das auch mit anderen Publishern kompatibel ist? Ich muss mal gucken, was die Bücherei so sagt. Doof ist dabei, dass man Ausleihen nicht einfach so verlängern kann und es auch – wie bei Print-Produkten – nur eine begrenzte Anzahl an „Exemplaren“ gibt.
Nria
12. Februar 2015 at 14:29Interessante Beobachtungen!
Ich habe seit Weihnachten einen Ebookreader und lese digitale und gedruckte Bücher parallel bzw. abwechselnd. Deshalb erlebe ich den Unterschied natürlich nicht so krass wie du, weil ich mich nicht so stark auf eine Sache einstelle.
Das Problem mit der Orientierung im Buch habe ich überhaupt nicht: Unten steht ja die Seitenzahl und die Gesamtseitenzahl, und wenn ich auf den Text tippe, wird mir ein „Fortschrittsbalken“ angezeigt. Ist für mich ein adäquater Ersatz.
Das Umblättern per Tippen finde ich etwas umständlicher als richtiges Blättern, aber dafür kann ich leichter im Liegen lesen, weil ich den Reader mühelos auf die Seite gestellt festhalten kann.
Der Hauptvorteil ist aber: Er nimmt weniger Platz in der Tasche weg und ich kann per Onleihe auch dann Büchernachschub besorgen, wenn die Bücherei geschlossen ist 😀
Was mich wirklich stört, ist aber, dass ich nicht kurz vorblättern kann, um zu schauen, wieviele Seiten es noch bis zum Kapitelende sind. Könnte ich theoretisch natürlich, aber es würde ggf. lange dauern – bei einem gedruckten Buch kann ich einfach die Seiten durch die Finger gleiten lassen.
Na ja, hat alles Vor- und Nachteile 🙂
Der Hauptgrund, mir einen Reader anzuschaffen, war übrigens die Beleuchtung:
Ich hatte im November eine Autopanne. Es war kalt, es war dunkel und der ADAC war überlastet (daher musste ich ca. 2 Stunden warten). Ich hatte ein Buch dabei (Internet-Handy besitze ich nicht), aber es war außerhalb der Stadt und die einzige Lichtquelle war eine Ampel, bei der nur die Grünphasen hell genug waren … in dem Moment wünschte ich mir nichts sehnlicher als einen Reader! (ok, neben einem funktionierenden Auto natürlich ;))
Und selbstverständlich steht mein tolino, wenn er gerade nicht benutzt wird, im Bücherregal. Zwischen den anderen Büchern 🙂
fadenvogel
12. Februar 2015 at 14:53Bei meinem Reader kann man auch unten so einen Fortschrittsding einstellen und zwar auch bis zum nächsten Kapitel. Allerdings ist es schon ein Unterscheid, ob ich einen Balken habe oder ein haptisches Erlebnis….vor allem am Anfang der Geschichte…da gebe ich dem Buch einfach länger Zeit sich zu entwickeln. Erst ab Seite 150 darf es mal spannend werden, bis dahin hat der Autor Zeit, alles zu erklären. ich glaube, meine digitale Geduld ist da begrenzter, da ich da eher von meinen persönlichen Zeitabschnitten ausgehe…das 5te Mal kindle-Aufklappen, dann muss es aber interessant für mich werden. Das kann unter Umständen viel früher sein als beim papierenen Buch…
Nria
12. Februar 2015 at 14:49Noch ein Nachtrag:
Toll, dass du erwähnst, dass Bücher ja auch nicht immer so aussahen wie heute!
Das vergessen ja die meisten. Klar, wenn ich an Bücher denke, habe ich auch nicht den mittelalterlichen Mönch vor Augen, der es per Hand schreibt.
Obwohl der Unterschied natürlich auf einer anderen Ebene stattfindet (bei gedruckt vs. handgeschrieben ists ja „eigentlich“ nur die Optik und nicht das Prinzip), sind die Auswirkungen doch gar nicht so unähnlich: Ein Freund von mir hat bestimmt tausend Gratis-Ebooks auf dem Reader. Da verliert das Einzelbuch ebenso seinen Wert …
fadenvogel
12. Februar 2015 at 15:48Danke. Ja, das mit dem Früher und Heute denke ich mir oft. Heute sind Bücher (auch) ein Kinderspielzeug…das ist neu und gut. Früher waren Bücher wertvoll (das war irgendwie auch gut)
Partials Serie von Dan Wells – der Aufbruch | Fadenvogel
14. Februar 2015 at 14:42[…] ist es also, mein erstes Buch in Papierform seit einem Jahr. Eine spontaner Griff in der Bibliothek um die […]
*thea
16. Februar 2015 at 10:21immer wieder stelle ich mir die frage ebook oder nicht? und bis jetzt bin ich dann doch immer wieder beim analogen bücherlesen geblieben. Ich glaube, weil es schön finde, bücher zu tauschen und sich gegenseitig auszuleihen. Zwei meiner leseratten-mädels haben jetzt einen kindle und ich vermisse es wirklich sehr, als wir früher zum treffen mit unseren neuentdeckungen gekommen sind und getauscht haben. Aber zum Glück ist meine liebste Reisefreundin und mein Freund noch nicht umgestiegen und so bleiben mir noch ein paar leseratten zum tauschen. Das einzige was ich wirklich toll finde ist, dass man beim reisen immer schnell das nächste buch runterladen kann. Je länger der urlaub desto mehr Bücher schleppe ich mit mir rum – da wäre ein kindle oder ähnliches schon praktisch. Schaun wir mal, wie lange ich noch analog bleibe 😉 lg
fadenvogel
16. Februar 2015 at 12:54Ja, das fällt mir jetzt beim analogen Lesen wieder so krass auf: Die Schlepperei….
Kulii
20. Februar 2015 at 21:48Echt gute Punkte die du da genannt hast. Ich bin wohl der Typ der mit beiden Arten recht gut zurecht kommt. Muss zugeben, dass ich mir recht gerne Bücher als „Trophäen“ ins Regal stellen, denn auch wenn sie jetzt keinen so hohen materiellen Wert haben, ist es für mich doch immer was besonderes.
Ich mag aber auch das leichte und unbeschwerliche Gefühl meines Kindel. Vor allem im Urlaub oder auf dem Weg zur Uni, wo man sowieso schon genug mit sich rumschleppt, ist der Kindel ein stetiger unauffälliger aber nützlicher Begleiter. Ich könnte mich nie für das eine oder andere entscheiden, sondern lese gerade so wie mir gerade ist.
P.S. das Licht-Problem habe ich mit meiner Version des Kindels übrigens auch 😉