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Märchenwandern für Kinder: Konzept

Zugegeben, mein erstes Märchen für Kindergartenkinder war Frau Holle. Ich habe ein Märchensatz für ein Tischtheater zur Verfügung gehabt und mir passend zu dem Märchen ein Fingerspiel herausgesucht.

Pille, Palle, Polle
Dort oben wohnt Frau Holle
Sie schüttelt ihre Betten aus
Da fallen viele Flocken raus
Zicke, Zacke, Zocke
Da kommt `ne dicke Flocke
Sie setzt sich auf `nen Gartenzaun
und möcht` sich dort ein Häuschen bauen.

Über diese Erfahrung mit dem kamishibai (jenes Tischtheater) habe ich mich mehr und mehr mit dem freiem Erzählen beschäftigt und der Frage, wie man sich gut Geschichten merken könnte. Das ist ein Vorteil des Quereinstiegs, da man hier natürlich schnell auch alte Ressourcen in sich wiederfindet. Ich habe mir schon viel merken müssen, habe Präsentationen geschrieben, Arbeiten und Prüfungen ablegen müssen. Mir war klar, dass es eine Methodik dazu gibt und ich habe sie bei Norbert Kober in einem Buch über das Freie Erzählen gefunden. Sein Rat war, eine Geschichte aus der Schriftlichkeit zurück in die Mündlichkeit zu führen, in dem man sie in Szenen einteilt. Jene Szenen malt man sich dann auf und so werden einem alle Teile, die notwendig sind für die Geschichte, schon klar.

Und ich meine jetzt nicht, irgendein künstlerisches Ausarbeiten, sondern ein geheimes Skizzenbuch mit Strichmännchen. Mein eigenes Buch ist künstlerischer Müll. Aber ich kann mir damit sehr viel merken. Erzählen bedeutet auch, dass man eine Geschichte in ihrem Ablauf im Kopf hat. Der Text alleine reicht dafür nicht aus.

So weit war ich also und der Zufall hat mir in die Hände gespielt. Meine eigenen Kinder sind nämlich überhaupt keine guten Spaziergänger. An irgendeinem Sonntag zu Jahresanfang haben wir uns als Eltern aber in den Kopf gesetzt, dass wir einen kleinen Wanderausflug machen. Die Kinder rollten bei der Mitte des Weges mit den Augen und jammerten. Da habe ich angefangen, ein Märchen zu erzählen. Das war sehr einfach. Draußen in der Natur lässt es sich sehr schnell in eine Welt träumen, in der es ein bisschen mystisch zugeht und man auf Zwerge oder Erzzauberer treffen könnte.

Jetzt merkt man schon, wie eine Idee zu wachsen anfängt und ein Prozess in Gang gesetzt wurde. Ich wollte also mit den Märchen raus in die Natur, in den Wald. Über ein paar Ecken und sehr viel offene Ohren für dieses Projekt bin ich an eine Hortgruppe mit Grundschülern geraten, die jetzt wöchentlich eine kleine Märchenwanderung mit mir und einer lieben Kollegin macht.

Zu Beginn finden die Kinder einen Stein mit einem Symbol und damit fängt die Geschichte an. Ich bereite die kleine Wanderung vor, in dem ich drei bis vier Steine bemale, die ich auf unserem Weg vorab auslege. Ich gehe unsere bekannten Wege ab und lege die Symbolsteine aus. Das Bemalen der Steine ist auch eine Vorbereitung für mich, denn daran merke ich mir die Einzelteile des Märchens mit. Ein Märchen, dass sehr viel Anklang gefunden hat, war das Märchen „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“. Da es ein sehr langes Märchen ist, habe ich zwei Treffen dafür verwendet. Das Malen der Steine war auch sehr reduziert. Es gab drei Steine mit einer goldenen Seite und einer weißen Seite. Im ersten Teil habe ich die weiße Seite nach oben gelegt und in der zweiten Wanderung die goldene Seite.

Die vier Steine des ersten Teiles

Das Märchen beginnt: ein Kind wird mit einer Glückshaut geboren und wird aufgrund einer Prophezeiung von einem König mit einem kalten Herzen in den Fluss geworfen.

Die Kinder suchen den ersten Stein, damit die Geschichte weitergeht. Geht das Kind unter? Wo landet das Kind?

Bei zweiten Stein wächst das Kind bei einem Müllerehepaar auf. Doch als es ein junger Mann ist, kommt der König mit dem kalten Herzen durch einen Sturm bei den Müllersleuten vorbei und erkennt das Kind. Der Junge wird mit einem Brief losgeschickt.

Die Kinder suchen den zweiten Stein. Was passiert mit dem Jungen, der einen Brief trägt, der sein Todesurteil beinhaltet. Kommt er bei der Königin an und ein böses Schicksal erfüllt sich für ihn?

Bei zweiten Stein geht die Geschichte weiter. Der Junge kommt in ein Räuberhaus, aber die Räuber haben Mitleid und ändern den Brief. Der Junge geht mit dem geänderten Brief weiter.

Bei dritten gefundenen Stein kommen wir endlich zur Königin. Sie liest den geänderten Brief und der Junge heiratet die Königstochter. Was passiert aber, wenn der König mit dem kalten Herzen zurückkommt?

Das erfährt ihr bei der nächsten Wanderung

So, das ist das grobe Raster des ersten Teiles. In der freien Erzählung ist das natürlich kein einzelner Satz, sondern ein lebendiger Part mit Zuhören, Nachfragen, Impulsen. Das Müllersehepaar freut sich so, dass es das Baby findet, weil es keine eigenen Kinder hat und denkt, es ist ein Geschenk des Schicksals. Er wächst auf und bekommt die ganze Liebe usw.

Drei Steine des zweiten Teiles

Der König mit dem kalten Herzen kehrt zurück und schickt den Jungen los, drei goldene Haare des Teufels zu holen.

Die Kinder suchen den ersten Stein und kommen mit dem Glückskind an eine Stadt. Dort ist ein Brunnen ohne Wasser.

Die Kinder suchen den zweiten Stein und kommen wieder an eine Stadt. Dort ist ein Apfelbaum ohne Früchte. (hier handelt es sich um goldene Äpfel. Die Kindergruppe kannte die goldenen Äpfel des Lebens bereits aus einem früheren Märchen)

Die Kinder suchen den dritten Stein und treffen auf den einsamen Fährmann. Endlich kommen sie zur Höhle des Teufels. Die Großmutter verwandelt das Glückskind und so bekommt er alle Geheimnisse zu den Städten und dem Fährmann und seine drei goldenen Haare.

Danach sind wir noch zu einem kleinen Weiher weitergegangen und haben das Ende der Geschichte gehört.

Der Teufel mit den drei goldenen Haaren ist an sich ein sehr spannendes Märchen. Es eignet sich durch die Wanderschaft des Helden, um eben einen kleinen Spaziergang unterzubringen. Der Kernpunkt des Märchens ist die Unerklärbarkeit von Glück und das Vertrauen auf den eigenen Weg.

Ich schließe die Märchenwanderung ab, indem ich eine kleine Schlussgeste mit den Händen mache mit den Worten: „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.“

Märchenreihe

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