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Über Kindergärten, Landfrauen und Nabelschnurkinder

Kindergarten EingewöhnungDer Kindergarten hat für uns begonnen. Das Leben besteht aus Kleinigkeiten. Eine Brotzeitdose, eine Matschhose, pünktlicher Morgenkreis.

Ich vermisse die Kinderkrippe. Ein kleines Team, 12 Kinder, enger Kontakt, pädagogisches Feedback. Im Kindergarten scheint alles ganz anders. Erzieherinnen im Hintergrund, viele Kinder, unbeobachtete Ecken.

Ich sitze mit einer anderen Mutter am Kaffeetisch der Einrichtung. Unsere Kinder machen sich unterschiedlich *gut*. Es ist klar, was ein problemloses Kind ist. Ein problemloses Kind ist ein Kind, dass alleine aufs Klo geht, unabhängig ist und sich auf die Mama freut, aber sie nicht unbedingt braucht.

Zuerst wachsen Kinder in deinem Bauch, dann kommen sie auf die Welt und wachsen heran. Sie gehen immer ein Stückchen weiter von dir weg. Ein ständiger kleiner Abschied. Je mehr du dich verabschiedest, desto unabhängiger werden sie.

Ich mag die andere Mutter. Wir unterhalten uns. Sie sagt, man nehme sich als Mutter doch etwas weg, wenn man sein Kind in die Krippe gibt. Die alte Leier. Innerliches Augenrollen. Ich nenne die Frauen hier *Landfrauen* und diese strikte Haltung gegen Krippen ist mir hier schon öfters begegnet. Bei den *Landfrauen*. In der Stadt waren alle Kinder in der Krippe und ich mit meinem 2-Tages-Modell ein Exot. Erklärungsversuche. Behutsam.

Ist es euch schon auch öfters so gegangen, dass man sehr wohl starke Sätze als Krippenmama einstecken muss aber umgekehrt nicht so wirklich austeilt? Und wenn ein Kind besonders anhänglich ist und man quasi die Nabelschnur noch sehen kann, dass da dann eher lächelndes Schweigen angebracht ist? Man sagt ja auch nicht zu einer anderen Mutter Sätze wie: Aber mit fast 4 Jahren sollte sie nicht in Tränen ausbrechen, wenn du den Raum verlässt…da wäre eine Krippe schon besser gewesen. Dann wäre sie jetzt halt nicht so ein Nabelschnurkind…. Sätze wie: Man verpasst doch so viel, wenn es in der Krippe ist. werden halt schicklich nicht mit Sätzen wie Ja, wenn es nicht in der Krippe ist, dann verpasst man auch eine Menge. Wie ich sehe, vor allem den Punkt der Unabhängigkeit.

Aber zurück zu den Kinder. Ich habe noch gar nicht wirklich Fuß gefasst, da bin ich schon vor der Tür und fahre weg. Lasse meine Kinder in fremder Obhut. Ich zweifle. Ich kenne die Erzieher noch nicht. Mir gefällt nicht, dass sie die Kinder gar nicht ansprechen. Kein Hineingleiten in eine neue Situation, eher ein Schubsen. Aber die Kinder fühlen sich gar nicht wie geschubst, ich bin die Geschubste.

Ich hole sie wieder ab und einer hat in die Hose gemacht. Ich bin bisschen wütend und kritisiere scharf, dass mein Kind erst 3 Jahre alt ist und es nicht reicht, ihm mal zuzurufen, er könne doch aufs Klo gehen. Er muss schon bisschen begleitet werden. Am Abend läuft er selber aufs Klo. Ich gehe hinterher. Er schickt mich weg. Mama, das kann ich alleine. Ich zweifle diesmal an mir. Vielleicht bin ich eine Helikopter-Mom.

Am Ende der Woche gehen sie schon den ganzen Tag in den Kindergarten. Ich beobachte sie beim Abholen heimlich und sie scheinen mir glücklich. Vielleicht sind sie befreit, ohne emotionale Erzieherbindung wie in der Krippe. Vielleicht sehe ich sie nur einsam und alleine, aber sie sehen sich unabhängig und frei.

Der Kindergarten hat zwei Gruppen, die Zwillinge sind getrennt. Bei meinem ersten Besuch hatte ich ein langes Gespräch mit der Leitung darüber. Zuerst fand ich es verstörend, die Kinder zu trennen, aber jetzt erkenne ich das Potential. Jeder Mensch muss sich selbst finden und die Werkzeuge dazu sollten in der Kindheit geschmiedet werden. Wenn sie sich in Kindergruppen nie alleine behaupten müssen und immer nur ein Zwei sind, wie sollen sie es dann plötzlich später können.

Am Ende ist man als Eltern meistens alleine mit seinen Entscheidungen. Welche Wege man einschlägt, um seine Kinder zu erziehen und ihnen den Weg in ihr eigenes Leben zu weisen. Alle Kinder sind verschieden, so wie alle Wege.

4 Comments

  • Hana Mond
    16. September 2015 at 10:22

    Meine Schwester und ich waren nicht getrennt, weder im Kindergarten noch in der Schule, erst in der Oberstufe aufgrund verschiedener Kurswahlen.
    Das war schön – aber wir hängen auch sehr aneinander und haben lange gebraucht, um ohne einander gut zurecht zu kommen. Für die Entwicklung sind getrennte Gruppen/Klassen mMn besser. Würde ich Zwillinge bekommen, würde ich mich wohl für die Trennung entscheiden. Allein, damit die beiden als eigenständige Personen wahrgenommen werden – ich fand es schon als Kind immer ein bisschen traurig, immer nur „die Zwillinge“ zu sein für viele und keine Einzelperson.

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    • Larissa//No Robots Magazine
      16. September 2015 at 10:49

      Ich hatte eine sehr enge Schulfreundin und manche Lehrer konnten uns auch nach Jahren nicht auseinanderhalten, nur weil wir beide mit L anfangen, uns aber wirklich kein Stück ähnlich sehen. Die Doppelpack-Falle gibt es auch für Nicht-Zwillinge. 😉

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  • Larissa//No Robots Magazine
    16. September 2015 at 10:48

    Ich kann mir jetzt noch gar nicht vorstellen, den Sohn in einem Jahr in die Krippe zu geben und ihn nicht mehr permanent um mich zu haben. 😮 So wird man plötzlich zur Gluckenmama. 😮 Aber ich finde es schon doof, das einfach so dahinzustellen, dass man ja etwas verpasst. Sie hätte ja auch einfach freundlich fragen können, ob du die Kinder nicht vermisst hast oder so. Oje, ich fürchte mich jetzt schon vor den Mum Wars. Ich bin einfach viel zu ehrlich. Und zu neugierig. Was dann schnell als Kritik aufgefasst wird. Oje.

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    • fadenvogel
      16. September 2015 at 13:24

      Der Witz ist, man verpasst immer was – egal, was man macht. Oft wird davon gesprochen, das man *die ersten Schritte* in einer Krippe nicht miterlebt. Wer sagt aber, dass der erste Schritt nicht auch bei der Oma, unbemerkt oder nach der Krippe gegangen wird. Sind halt eigenständige Menschen, die sich nicht so einfach in einen Zeitplan pressen lassen. Überhaupt das Wort *verpassen*…klingt für mich schon immer komisch…ich möchte weder für meine Kinder, noch wegen meiner Kinder, noch durch meine Kinder leben, sondern mit ihnen.

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