Letzte Woche habe ich in der Kaffeerunde geschwänzt. Wir waren zu Gast auf einer Taufe bei Menschen, die das digitale Leben weder kennen noch kennen lernen wollen und ich finde das gut so. Aus Respekt knipse ich dann dort weder meine DIY-Geschenke noch meine Kaffeetasse. Mal schwänzen ist ja auch ok.
Diese Woche habe ich meine Kaffeetasse in der Mittagspause auf den Notenstapel auf dem Klavier abgestellt, um mal ein anderes Foto zu machen. Dahinter sind auch gleich die Tortenboden-Mal-Kunstwerke meiner Söhne zu sehen und ich war wieder im Zweifel. Klar, ich finde das toll, aber ich bin ja auch die Mutter…aber dann, dann kam mir der Gedanke von Authentizität und von Realität und das Bloggen, dass ja immer die wunderschönen Momente im Netz bewahren möchte. (Siehe auch: Warum schreibt man einen Blog?) Und im Kuddelmuddel dieser Gedanken fiel mein Blick auf die Laternen, die ja bestimmt in allen Häusern dieser Tage gebastelt werden. (Oder auch schon vom Kindergarten)
Ich habe gestern in einem planlosen Mix aus Pergamentpapier, Malkreide, Kinderschere und washi-tape (bereits hier mal erwähnt) mit meinen beiden Zweijährigen auch Laternen gebastelt.
Ich bin handwerklich geschickt. Ich stricke, spiele Klavier, ich tippe beruflich auf Tastaturen herum. Ich könnte Laternen basteln, die man in der kühlen Novembersonne wohl perfekt für einen Blog fotographieren könnte.
Meine Kinder (noch?) nicht.
Aber es sind ihre Laternen und sie haben mit Leidenschaft auf dem großem Papier herumgemalt, haben die Bordüre geschnitten (das erste Mal eine eigene Schere in der Hand, ein großes Ereignis), waren für über einer Stunde bei der Sache.(Für alle Nicht-Mütter: das ist echt laaange)
Ich habe das Tape aufgeklebt und die Laterne rund gemacht. Ein minimaler notwendiger Mami-einsatz sozusagen.
Sie platzen beide vor Stolz und ich bin seltsam gerührt, weil ich weiß, dass etliche Kinder am Dienstag in dem Alter oder auch später mit perfekten Laternen kommen werden. Laternen, die von Müttern am Abend liebevoll gebastelt wurden.
Im Horizont von Zweijährigen gibt es das Wort „perfekt“ gar nicht, es gibt höchstens das Wort „selber“. Und etwas selber machen ist das Beste auf der Welt – finden zumindest Kinder.
In diesem Sinne möchte ich mich selber mahnen, dass ich es schaffe, meine Kinder Kinder sein zu lassen, nicht alles in „schön“ haben möchte, nicht alles in „sauber“. Ich möchte, dass sie alles mit Begeisterung mitmachen und nicht denken, dass sie etwas nicht gut genug könnten und deswegen zögern, überhaupt mitzumachen.
Und das bedeutet wohl, dass ich viele Jahre an Laternenumzügen teilnehme mit Laternen, die man nicht bei dawanda verkaufen könnte. Ich muss lächeln. Wenn das alles ist: das halte ich aus.
Vielleicht interpretiere ich die Blicke der anderen Mütter mit den perfekten Laternen aber auch falsch. Vielleicht sehen sie mich ungläubig an und meinen eher: Oh Gott, du hast dir den Stress gegeben, die Laternen von ihnen selber machen zu lassen? You are the perfect one, baby.
Denn wunderschön finde ich diese Laternen, mit dem Nachmittag Kleben und Schneiden, mit den begeisterten Ausrufen, mit der stolzgeschwellten Brust. Es war mir ein Fest, meine Zwerge.
Aber das ist ja nur der halbe Artikel, in der anderen Hälfte geht es um die Mütter-Society. Die, mit den Vergleichen, den Blicken, den Halbsätzen. Zu der keine gehören will und trotzdem alle dabei sind. Aber ich denke da zu viel rein. immer. Ich trinke jetzt mal meinen Kaffee und warte, bis die Truppe wieder aufwacht.
*Samstagskaffee ist eine Aktion von Ninjassieben.
11 Comments
Ulrike
8. November 2014 at 17:28…..ich finde es wunderbar, dass du das so machst und wieviel Freude es dirund deinen Kindern bringt. Ich wünsche dir und ihnen, dass das noch lange gehen wird.
Leider habeich mit meinem Sohn erlebt, dass er ganz stolz sein mühevoll selbst gemachtes Faschingskostüm (Ritter mit Rappschild, Pappschwert, Helm und Rüstung aus Schaumstoff) mit 7 Jahren im Hort zur Faschingsfeier anzog – und von den anderen Kindern ausgelacht wurde, weil es ja „kein gekauftes“ Kostüm war, sonden „nur“ ein selbstgemachtes.
Klar, da hört man vor allem die Stimmen der Eltern undderen Meinung heraus, aber für meinen Sohn war es ein schlimmes Erlebnis, er hat sehr geweint.
Wertschätzung, drum geht es, denke ich. Deshalb finde ich es so toll, wenn du dich so freust über die gemeinsame Zeit, die ihr zusammen beim Basteln verbracht habt – über ihre Freude, ihren Stolz über den Prozess und das Ergebnis, dass ich dir und euch wirklich von Herzen wünsche, dass ihr euch das noch sehr lange bewahren könnt!
Alles Liebe, Ulrike
fadenvogel
8. November 2014 at 18:55Danke für deinen Kommentar und die persönliche Geschichte, die dir bei dem Thema eingefallen ist. Ich kann mich aus meiner Kindheit auch noch dunkel an die Faschingskostümdebatten um Selbstgemacht oder Gekauft erinnern. Wenn ich da an meine eigenen Kinder denke, so graust es mich ein bisschen vor diesen Momenten.
H.
8. November 2014 at 22:13Genau. So.
Tolle Laternen sind das geworden!
carmen
8. November 2014 at 22:39Liebe Sabine!
Einen herzlichen Glückwunsch zu euren Laternen! Was glaubst du, wie toll es erst sein wird, wenn du im Laufe der Jahre die Laternen vergleichen kannst und siehst, wie viel deine zwei dazu gelernt haben!
Ich werde ganz fest an dich denken, und an deinen Blog-Eintrag… ich hab als Pädagogin im Kindergarten nämlich zum ersten Mal kein choreographiertes Martinsspiel zum Laternenfest vorbereitet, sondern habe mich dafür entschieden, die Kinder selbst die Geschichte und das Geschehen entwickeln zu lassen. – Ich glaube, am meisten Mut brauche ich zur Rechtfertigung vor den Eltern. – Da könnte ich eine Mutter wie dich in meiner Gruppe gebrauchen 😉 – Hoffentlich denken einige wie du
Lg Carmen
fadenvogel
8. November 2014 at 23:15Team Let-your-kids-do-it statt Team Do-it-yourself….definitiv auf deiner Seite.
Sonja
8. November 2014 at 22:53Ja, sehr Recht hast du! Das ganze Perfekte auf den Blogs nimmt mir oft die Freude und Leichtigkeit beim Lesen und den Blick für das eigentliche Schöne.
Liebe Grüße, Sonja
Regula
9. November 2014 at 07:18Perfektionismus ist noch unser Untergang. Und doch gibt es Dinge, die müssen einfach stimmen. Es ist einfach wichtig darüber nachzudenken, welche das sind.
Larissa//No Robots Magazine
9. November 2014 at 12:34Hach, wie schön! Ich finde eure Laternen toll! 🙂
Ich hatte übrigens die wunderschönste Mami-Laterne der Welt als Kind. Ich wollte aber auch nicht unbedingt selbst basteln und habe ich stattdessen wahnsinnig über selbstgemachte Sachen von Mama gefreut. (Was mir heute sagt: Selbstmachen ist für Kinder viel schöner als teure Sachen kaufen.) Die Sache resultierte allerdings in ein Trauma, als die wunderschöne Laterne auf einer Brücke von der Halterung fiel und überfahren wurde. Viele viele Jahre lang sagte ich noch: „Woah, Mama, das ist die Brücke, wo meine Laterne überfahren wurde, näh?“
fadenvogel
9. November 2014 at 14:19🙂
Tanja
9. November 2014 at 22:45Unser Kindergarten hat uns kürzlich die ‚Hausaufgabe‘ aufgegeben, für die Kinder ein Haus in Form eines A4-Blattes zu basteln, auf das man die Fotos aller Familienmitglieder klebt (zumindest der engsten Verwandten). Was meine Mit-Eltern teilweise abgeliefert haben, war tatsächlich der Gipfel der Bastelkunst. Und ich musste mich sehr beherrschen, keine giftigen Kommentare abzugeben, wenn sich jemand nicht ans Format gehalten hat, oder die Stoffgardinen seines Hauses mit der Nähmaschine gesäumt hat, oder die Büsche im Garten mit zig perfekt gerollten, gleich großen Seidenpapierkügelchen ausgeklebt hat. Was ganz bestimmt das Vierjährige selbst gemacht hat.
Zum einen, weil auch ich nicht frei bin vom Vergleichen und Verurteilen (nur halt nicht von der Perfektionismus-Seite, sondern eher aus der Gegenrichtung). Und zum anderen, weil ich befürchte, dass auch meine Kinder vergleichen werden. Und dann all ihren Stolz über die selbst gemachten Häuser mit den schief eingeklebten Bildern und den verschmierten Stempelverzierungen und unmotivierten Glitzerstiftklecksen verlieren werden. Und zum dritten, weil da dieser fiese Zweifel ist: Bastle ich etwa nicht genug mit meinen Kindern? Vielleicht sind die Strohdächer und sauber ausgeschnittenen, perfekt rechtwinkligen Fensterläden ja doch das Werk der Zwerge selbst? Bin ich eine Rabenmutter, die ihren Kindern aus Faulheit zu wenig handwerkliches Geschick vermittelt? It takes a village to raise a kid, heißt es. Manchmal hätte ich aber lieber eine einsame Insel dafür …
fadenvogel
10. November 2014 at 10:01Was Kinder über Mütter denken, ist manchmal was anderes als wir glauben…(so mein persönliches Mantra dazu, aber meine sind noch so klein, ich bin noch in der comfort zone bei diesem Thema) Klick hier