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Printable: Postkarte im Januar

Das Jahr 2020 war für uns alle einschneidend. Ich nehme daraus einiges mit. Planlosigkeit aushalten, Chaos zulassen, Gelassenheit üben. Durchzogen sind meine letzten Monate aber von einstürzenden Brücken. Brücken zu anderen Menschen. Freundschaften, die man nur ab und zu sieht, sind im Nebel verschwunden. Die Begegnungen mit anderen sind manchmal ein Eiertanz geworden. Wer steht wo wie und hat welche Meinung zu was. Manche verlangen viel Toleranz und zeigen davon aber wenig. Das große Schiff aus einer Blase von Eltern, Müttern, Familien mit Kindern, auf dem ich dachte zu sein, hat sich als viel kleiner herausgestellt: Nicht alle sind auf meinem Boot. Manche segeln mir mit ihren Meinungen und Vermutungen davon.

Dabei habe ich gar keine Lust, mit Frau Huber von der Gymnastikgruppe über Politik zu reden. Ich interessiere mich auch überhaupt nicht, welche weltpolitische Haltung in ihr wohnt. Aber zwischen Warten auf die Kinder und Smalltalk über die Hausaufgabenmenge konnte dich in den letzten Monaten aus dem Nichts irgendeine Aluhutmeinung treffen. Paff – wie Vogelkacke an einem wolkenlosen Tag. Und dann stehst du da und überlegst kurz, ob du das jetzt einfach übergehen kannst und mit den Hausaufgaben-Talk weitermachst oder nicht. Beides führte zu Nichts und beides fühlte sich am Ende falsch an.

Wir bleiben zu Hause, haben alles abgesagt, verschoben, treffen uns nicht mehr mit anderen Kindern, Familien, Freunden. Plötzlich wird dabei meine eigene Toleranz herausgefordert, denn viele machen es eben nicht so. Und ich beginne, mich darüber zu ärgern. Es fühlt sich im ersten Moment an, wie ausgeschlossen zu werden. Wenn du Angst hast, dann komm halt nicht. Ich komme nicht und die Brücken stürzen ein.

Dieses Jahr habe ich keine Weihnachtspost geschrieben. Mir war gar nicht danach. Trotzdem habe ich ganz liebe Post erhalten und deswegen habe ich am 1. Januar Postkarten zurückgeschickt. Damit meine Freundschaften im Nebel kleine Nebelleuchten erhalten und diese Zeit überstehen. Denn Frau Huber ist wohl Geschichte für mich. Die Brücken aus einem Netz an sozialen Kontakten zu anderen Müttern brechen ein und ich brauche meine echten Freunde.

Die Postkarte habe ich mit einer speziellen Postkarten-Rückseite versehen und auf ein 300g-Papier ausgedruckt. Es ist also doppelseitig. Dabei habe ich viel über Drucker gelernt – wo man Druckköpfe reinigt, damit das Bild streifenlos gedruckt wird und wieso ein Verlauf schwierig auszudrucken ist.

Die Postkarten könnt ihr gerne für eure Neujahrsgrüße verwenden. Auch wenn ich nicht die größte Künstlerin bin: für mich ging es dabei eher um die Botschaft. Den Wunsch, wieder jeden umarmen zu können. Denn mir macht es auch keinen Spaß, alles abzusagen. Ich komme nicht aus Faulheit nicht. Ich komme nicht, weil ich mich verantwortlich fühle und hoffe, es so aufhalten zu können. Ich wünsche mir auch mehr Nähe.


Dieses Werk (Postkarte Umarmung Januar 2021) ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Nicht-kommerziell – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz.

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