Alle wollen vorwärts kommen. Zukunft, Kind, Karriereplan. Immer geht es um das Morgen. Aber wie war dein Leben denn, als du ein Kind warst? Wie war es denn als Teenager? Erzähl mal.
Larissa vom No Robots Magazine, Roxana vom early birdy und Sabine vom fadenvogel tauschen jeden ersten Sonntag im Monat Erinnerungsstücke aus. Ein Thema – drei unterschiedliche Texte, drei unterschiedliche Frauen, drei unterschiedliche Leben.
In meinem Zeugnis zur 9.Klasse steht vermerkt, dass dies einem Hauptschulabschluss gleichkäme. Auch in meinem Zeugnis zur 10. Klasse steht so ein Äquivalent mit der Realschule. Ich war auf dem Gymnasium, aber mein Vater hat dafür gesorgt, dass dies reingeschrieben wird.
Ich habe nicht ganz verstanden, warum er das wollte. Ich glaube, um mir zu zeigen, dass ich es jetzt schon schulisch irgendwie geschafft hätte. Mit einem Realschulabschluss kriegt man einen Job. Man braucht das Abitur nicht. Ich habe dennoch Abitur gemacht. Klar, sie waren wirklich stolz. Ich habe ein teures Schmuckstück geschenkt bekommen, aber mir wurde früh vermittelt, dass man mit 16 Jahren eigentlich anfängt zu arbeiten.
Trotzdem habe ich lange gebraucht, bis ich mal einen Beruf erlernt habe. Studiert, an der Uni gearbeitet, dann noch mal eine Lehre.
Trotzdem habe ich mit 16 Jahren angefangen zu arbeiten.
Eine Freundin hat mich da reingebracht. Ich weiß noch, dass ich mich erst gar nicht getraut habe, anzurufen. Mein Vater hat schließlich bei meinem ersten Arbeitgeber angerufen. furchtbar peinlich. Ich habe ihn gebeten, weil ich mich nicht getraut habe. Aber Probleme mit dem Telefon – gut, da bin ich wohl nicht die einzige. Und letztendlich habe ich auch mal in einem Call Center gearbeitet, also alles gut geworden mit mir und dem Telefon.
Mein erster Arbeitgeber war die Agentur, die am Gasteig in München die Karten für den Konzertsaal abreißen läßt. Von einer Horde wie Stewardessen gekleideter Mädchen. Es war ein guter Job. Ich habe in Haidhausen gewohnt, konnte in ein paar Minuten zum Gasteig kommen, habe dort meine Karten abgerissen für zwei oder drei Abende in der Woche. Manchmal auch ein Programm verkauft. Bis zur Pause auf kleinen Klappstühlen drinnen dem Konzert zugehört. Danach mit der Kollegin gewechselt und draußen gesessen bis zum Ende. Gelesen und dafür bezahlt. Es war ein toller Job.
Manchmal hast du in der Agentur angerufen, um die Tage abzusprechen. Manche der Mädchen waren Philharmonie-Freaks. So Musikerinnen, die bei dem oder dem Konzert unbedingt dabei sein wollten, wenn der Held aus Japan mit seiner Millionen-Querflöte irgendein klassisches Stück geflötet hat. Da haben die mich dann mit großen Manga-Augen angeguckt und entsetzt gefragt, ob ich MeiJong DingDong jetzt wirklich nicht kennen würde. Ich habe eine lange Geschichte mit gebildeten Musikerfreundinnen. Meine erste Freundin aus Grundschultagen veröffentlicht inzwischen Arien auf youtube. Aber zurück zu meinem Job.
Jede Woche kam eine Postkarte mit den Terminen, zu denen du eingeteilt wurdest. Wie gesagt, ich habe da weniger Wert darauf gelegt, bei welchem Konzert ich arbeite.
Wir kamen alle in unseren Uniformen und versammelten uns vorher zur Ansprache von Herrn T. Der teilte uns auf die unterschiedlichen Blöcke ein, sagte irgendwas zu Besonderheiten, teilte uns mit, wann die Nachzügler denn in den Saal gelassen werden könnten. Die Uniform machte jedes Mädchen gleich. Die mit den Hennafarben in den Haaren, die mit den Dreadlocks, die mi den blonden Dünnen, alle. Alle sahen gleich aus. Es war echt der Wahnsinn.
Ich hatte diesen Job echt lange. Ich hatte dadurch auch eine Menge Geld. war ja noch zu D-Mark-Zeiten. Und man musste echt nichts machen. Einmal habe ich den Sommer/Winterzeitwechsel verpasst und kam eine Stunde zu spät. Als ich es gemerkt habe, schlich ich mich wieder raus und ging halt nicht zur Arbeit. Jeder wußte, dass sie auch immer mehr Mädchen eingeteilt haben als benötigt, weil es immer welche gab, die nicht auftauchten. So wie ich heute.
Zu meinem Abitur hab ich ein oder zwei Monaten Pause gemacht und danach aufgehört. Irgendwann bin ich mal mit einer Freundin zu Tori Amos gegangen. Da waren wir im Gasteig und ich fragte das Mädchen in der Uniform, ob es immer noch die und die Agentur wäre, für die sie hier arbeitet. Sie bejaht und als ich fragte, ob man immer noch Postkarten bekäme. Da hat sie mich kurz irritiert angeguckt und gesagt, sie bekomme emails mit ihren Terminen. Darüber musste ich lange lange nachdenken. Und kam mir vintage vor.
3 Comments
Larissa//No Robots Magazine
6. November 2016 at 10:14Haha, unsere Beiträge könnten diesen Monat kaum unterschiedlicher sein. 😀 Öl, Müll und Alkis am Dorf gegen klassische Musik – herrlich!
Erzähl mir von…deinem Berufswunsch als Teenager | Fadenvogel
5. März 2017 at 09:31[…] war. Ich glaube, ich wollte lange Zeit….gar nichts. In der Sonne liegen. Dabei hatte ich schon Geld verdient, mit Nebenjobs. Aber so mit […]
Erzähl mir von deinem Auszug von Zuhause | Fadenvogel
2. April 2017 at 09:58[…] da schon gemacht. Sonst war ich echt wenig dort. Ich war in einer Ganztagsschule und hatte einen Nebenjob. Manchmal hatte ich ein paar Freunde um meinen […]