Sonntag Abend. Wir sitzen vor dem Fernseher, die Kinder schlafen. Ich packe mein Strickzeug aus. Ein bisschen wird noch an einer Jacke für die Kinder herumgenäht. Der Abend fängt in Deutschland um 20 Uhr an. ARD Tagesschau. Eine Frau ist auf offener Straße halb erstochen worden. Eine Politikerin. Ihr Wahlkampf hat einem rechten Arschloch nicht gepasst. Dann brennen Häuser.
20.15 Tatort. Hinein in Dortmunds Norden. Ein sechsjähriges Mädchen findet am Spielplatz Drogen und stirbt an Herzversagen. Die Drogen haben schwarze Asylanten vergraben. Ein bisschen geht das Klischeegewitter los. Vor allem, wenn der schwarze Junge Jamal den Mund aufmacht. Erinnert stark an Yoda aus Star Wars. Ich sehe von meinem Strickzeug hoch. Ich weiß auch nicht, warum Ausländer im deutschen Fernsehen immer an Indianer-Stereotypen aus amerikanischen Western der 50er Jahre erinnern müssen. Es ist wie ein Suchspiel: Finde den versteckten und offenen Rassismus. Die Türken sind integrierte Mafia-Drogen-Bosse und ziehen alle Fäden, dazwischen eine hoffnungslose Modelleisenbahn-Familie mit „Ich bin ja kein Nazi, aber….“ Gibt es in dieser Gesellschaft echt nur noch Gutmenschen oder Nazis? Und zwischendrin der besorgte Bürger? Einen Sommer lang hat es gedauert, bevor über Grenzzäune und Transitlager nachgedacht wird. Oder über eine Änderung des Grundgesetzes. Gläserne Werte. Und am Ende wird der schwarze Mann niedergestochen und stirbt über einem Integrationsbuch mit Titel *Chance*. Ach ja, der blonde Sanitäter war´s übrigens. „Mir geht es nicht beschissen, mir geht´s scheiße.“ sagt Faber.
Denkt ihr #Flüchtlinge sind in ein Partyboot gestiegen, mit dem Traum im Park mit Drogen zu dealen? #tatort
— Larissa Janz (@LarissaJanz) 18. Oktober 2015
Ich traue den Leuten, die den Flüchtlingen Deutsch beibringen, einfach mehr zu! Und den Flüchtlingen auch! Ist ja peinlich. #Tatort
— Ellen Fellow (@EFelllow) 18. Oktober 2015
Mit der Modelleisenbahn auf dem Weg zur Selbstjustiz. #Tatort
— David Redelberger (@davidfromkassel) 18. Oktober 2015
Danach Auftritt Jauch. Ich habe das Thema verpasst, aber es ist bestimmt irgendwas mit *Wir-schaffen-das-nicht.*. Ein AfD-Politiker zieht aus seinem blauen Anzug eine Deutschlandfahne und legt sie über seine Stuhllehne. Ich weiß auch nicht, warum man den Rechten immer so viel Raum im Fernsehen geben muss. Es findet auch eigentlich keine Diskussion statt, sondern sie meiste Zeit verbreitet der Demagoge seine Parolen. Jauch sitzt wie immer zwischendrin und wirkt leicht überfordert. Aber am Ende hat man nicht das Gefühl, dass die ganze Kiste jetzt pädagogisch wertvoll gewesen wäre. Von *1000 Jahren Deutschland* und *den Angsträumen blonder deutscher Frauen* ist die Rede. In Twitter tobt der Sturm. Erst bei Tatort, aber bei Jauch explodiert es fast.
Die Bücher zu Sendung: Seit Jahrzehnten im Handel. #Jauch pic.twitter.com/0rsvqGUC3C
— Matthias Oomen (@OomenBerlin) 18. Oktober 2015
Afd hat geschafft, was der NPD nie gelungen ist: Propaganda zur besten Sendezeit. Danke dafür #jauch #Hoecke
— NoPasaran (@iglepab) 18. Oktober 2015
Auf einem Privatsender wird *The walking dead* wiederholt. Ich habe genug deutschen Fernsehabend hinter mir. Tief durchatmen, Zombies beim Fressen zugucken und weiterstricken. Ich schaffe das. Auch mit *Wir-schaffen-das-nicht*-Fernsehen in der ARD.
Bildquelle: pixabay, stark verändert
3 Comments
Alexandra
19. Oktober 2015 at 14:35Ich habe beides nicht gesehen, aber ich habe beides auf Twitter miterlebt (so nebenbei) und war mal wieder froh, dass ich mich nicht fürs Fernsehen entschieden habe.
Wenn ich das jetzt so in der Zusammenfassung bei dir lese, bin ich noch froher über meine Entscheidung gestern Abend.
Roxy | early birdy
20. Oktober 2015 at 14:24Ah, die Klischeekiste! Sie ist voller bunter Stereotype und scheint nie leer zu gehen. Was meinst du wie überrascht die Leute immer sind wenn ich ihnen erzähle dass ich als Rumänin noch nie ein Fahrrad oder Auto geklaut habe, nicht mit Drogen deale, keinem Mafia-Clan angehöre und stattdessen studiert habe und nun fleißig Steuern zahle.
Larissa//No Robots Magazine
23. Oktober 2015 at 10:00Wie gut, dass ich nur noch vormittags fernsehen kann, wenn das Kind unbedingt in meinen Armen schlafen will. Da habe ich neulich was Schönes auf Netflix gesehen: Almanya – Willkommen in Deutschland. Kennst du das? Da geht es um einen türkischen Gastarbeiter und seine Enkel. Sehr sehenswert. 🙂 Das sollten sie vielleicht jetzt mal im Fernsehen zeigen (vielleicht haben sie das sogar und ich bekomme nichts mehr mit?).