In München gibt es seit Jahren die Lange Nacht der Musik. Eine Veranstaltung im Mai mit über 400 Konzerten, vier Shuttlebussen und 100 Locations. Ich kann mich erinnern, dass es mit der Langen Nacht der Museen in München mal angefangen hat.
Wer mitten im Zentrum lebt, der kriegt nichts mehr mit. Die Hochhäuser versperren einem die Sicht. Wer interessiert sich schon für die versteckten Bergseen, wenn man ein Haus am Meer hat.
Überrascht war ich, als ich letztes Wochenende in Bad Tölz ausgegangen bin. Auf der Nacht der blauen Wunder…einem (nein, kleiner Bruder ist es nicht…) dem kleinen Cousin zweiten Grades der Langen Nacht der Musik. (Darf ich an dieser Stelle anmerken, dass *blaue Wunder* ein echt bescheuerter Name ist…?) Egal, ausgehen in der Provinz.
Die Veranstaltung hat 11 Lokale und 11 Konzerte, aber es gibt einen Shuttlebus. Am Ende der Nacht haben wir festgestellt, dass wir nie mit dem Bus gefahren sind, aber es muss ihn gegeben haben.
Wir gehen also bei beginnender Dunkelheit durch leere Kleinstadthäusergassen, eine schwarze Katze kreuzt unseren Weg und ein Mittvierziger riecht verdächtig nach Gras.
Unsere erste Station heißt Papas Kesselhaus (gegenüber einer Reha-Einrichtung?). Es sieht wüst aus, wüst und cool. Es erinnert mich an irgendein Früher. Es gibt Bier und Riesenbaguette, eine Kneipe. Der Name der Band sagt mir natürlich nichts, aber es wird mit Bluesrock beschrieben. Stimmt auch irgendwie. Der Laden ist brechend voll.
Wir ziehen weiter, aber haben das Kesselhaus auf unserer internen Liste gespeichert. Cooler Laden, gutes Essen. Hier treten wohl öfter Bands auf. Zuerst ins kleine Kino an der Isar und dann ins Kesselhaus abzuckeln? Why not.
Unser nächstes Ziel wird als Rockabilly angepriesen, aber der Laden sieht von außen so aus als ob man da ganz gut frühstücken könnte. Der Name passend neutral: Gasthaus….Bisschen steril und modern, aber wir sind ja auf Neues aus und lassen uns in den Keller führen. Ein riesiger alter Weinkeller zur Bar umgebaut. Aperol Spritz-Style. Jetzt fange wir auch noch an zu tanzen. Der Schlagzeuger hat einen Beat drauf. Großartig. Wie heißen die noch mal? Ah, Del-A-Rocka.
Überhaupt, Kellergewölbe. Im nächsten Laden sind wir nicht lange, aber es ist ein Kellergewölbe. Es ist halt eine sehr alte Stadt hier und man bastelt sich seine Hotspots in den Nischen der Geschichte.
Das Click liegt direkt an der Marktstraße, zwischen den ganzen Trachtenläden und Cafés. Ein Laden der mir noch nie aufgefallen wäre, aber der aus diesem dunklen Gewölbe besteht, nicht auf alt gemacht sondern einfach alt. Eine runde Bar und…Kölsch. Jeder hat seine Spleens. Also, ein Kölsch und weiter. Und ein weitere Kneipe, die man besuchen kann. Definitiv.
Zum Schluss noch ein Café, aber mit der Musik, die einem hier immer wieder begegnet, unter den Blasmusikkapellen im Fernsehen, dahinter: eine Art bayerischer Blues. Williams Wetsox Zweifelsohne lohnenswert. Den Texten kann ich gar nicht mehr richtig folgen, ich trinke mal nen Kaffee. Aber die handgemachte Musik schwingt so über mich hinweg. Ich mag das. Vor allem in einer Oktobernacht mit leichtem Nieseln.
Hat man in München das Gefühl, dass sich viele Läden nach Berlin orientieren, hat man es hier mit Amerikana. Die Klänge erinnern viel an Jazz, Blues, Rock. Tölz ist keine Studentenstadt. Das Publikum nicht blutjung. Ältere Semester, Touristen, geschiedene Frauen mit dem neuen Freund, schnieke Kerle vom Typ Waldläufer, Kräuterhexen, kleine Mädchen, aber eben keine BWL-Studenten. Aber ich habe auch keine Lust, in einem Club plötzlich Muttergefühle entwickeln zu müssen, weil ich persönlich finde, dass Partyvolk sollte jetzt besser mal ins Bett gehen und morgen in die Schule. Wo sind aber die Kinder? Wir vermuten, dass wir diesen Club nicht kennen oder die sind weg. Sollen doch die Youngsters ruhig mit dem Zug nach München fahren. Wir bleiben zwischen Gitarren, Kölsch und Tegernseer gerne im Keller zurück. Solange keiner das Licht anmacht oder die Musik leiser.
2 Comments
rosa
14. Dezember 2015 at 11:57das ist ja nett.. bin über den RUMS ( Leonhardi..) zu dir gekommen. und hängen geblieben.
und lese jetzt hier sozusagen heimatliches.. obwohl ich schon vor 20 jahren aus tölz weggegangen bin: kommt mir alles sehr bekannt vor.
ich bin dir sozusagen auf meinen alten spuren durch kneipen,straßen, und alten tradition gefolgt.
und wenn ich das nächste mal auf “ heimaturlaub“ bin, denke ich bestimmt: an dich :).
alles liebe von der rosa
fadenvogel
15. Dezember 2015 at 21:08Das ist ja schön! Ich muss lächeln! Danke für diesen Kommentar!