Der reiche Norden und der arme Süden. Eine europäische Realität. Griechenland hat also gewählt. Keiner weiß so richtig, was die Frage war. Eine Ja oder ein Nein zu Europa? Ein Ja oder ein Nein zu den Schuldbedingungen und Rückzahlungsklauseln? Ein Ja oder ein Nein zu der neuen Regierung?
Um die Ecke bei mir hat ein neuer Feinkostladen aufgemacht. Es ist ein älteres griechisches Ehepaar. Sie verkaufen Oliven und Obst. Meine Kinder dürfen da fast alles probieren. Sie kennen die Oliventheke bereits und langen da immer kräftig zu. (Meine Kinder lieben Oliven und Fisch, ich weiß, sie sind komisch) Die Frau winkt immer ab, wenn ich meine Jungs vom Plündern abhalten will. *Ach, von den zwei Oliven werd ich jetzt nicht arm.* Ich habe sie gefragt, ob sie am Sonntag wählen wird. plötzlich war sie verunsichert. Sie wollte mit mir nicht über ihr Land sprechen und schüttelte nur den Kopf. *Dazu müsste man in Griechenland sein.* sagte sie knapp. Offensichtlich hat sie keine Lust, mit mir über Politik zu sprechen. Ich bewundere statt dessen die Pfirsiche. Mit der Karte zahlen kann man bei ihr nicht. Nur Bargeld, sagt sie lächelnd. Kommt aber noch, verspricht sie mir. Der Mann gibt mir weiche Pfirsiche mit. Für die Kinder, sagt er.
Ich hätte gerne gewußt, was sie denken, denn ich kann mir kaum ein Bild machen, wie es ist, wenn die Banken schließen und man kein Geld mehr hat, seine Medikamente zu zahlen. Im Netz geht das Bild des weinenden Rentners vor den geschlossenen Banken herum. Ein alter Mann, das ist das Sinnbild der Krise.
An elderly man cries outside a bank in Thessaloniki, #Greece. #photo by Sakis Mitrolidis pic.twitter.com/xmJpIoi5T2
— AFP News Agency (@AFP) July 3, 2015
Von den Kindern wird wenig berichtet. Die Kindersterblichkeit wäre hochgegangen, sagt mir eine Freundin mit griechischer Familie. Von den Berichten fehlt mir jede Spur.
Der Weltspiegel verweist auf andere Länder, die im Euro aus der Krise gekommen sind und tadelt damit wortlos den griechischen Weg. Den anderen Ländern im Süden ginge es auch nicht besser.
Ich beschäftige mich schon lange mit europäischer Geschichte. Die Souveränität des einzelnen Staates ist tief im europäischen Bewusstsein. Wir mögen keine Bundesstaaten, wir mögen nur den Staatenbund. Und ein Souverän lässt sich nicht erpressen. Auf der anderen Seite leider auch nicht. Der Hauch des Erpressbaren wird den Weg zu einer Einigung erschweren und Griechenland letztendlich ausscheiden lassen – aus was auch immer. Die Sparpolitik gibt es schon lange und Europa hat nicht viel auf Griechenland geblickt. Höchstens, um Ferienhäuser auszusuchen. Jetzt sind sie laut und jeder schaut erschrocken hin. Besser wird es dadurch nicht.
Den Letzten beißen die Hunde. Das hat auch Varoufakis gespannt und kündigt für den heutigen Montag seinen Rücktritt an – digital auf twitter und seinem Blog. Immer schön direkt. Ein österreichischer Pensionist, der behauptet, mit Varoufakis blogtechnisch verbunden zu sein, kommentiert jubelnd (ein Fan) und schickt eine Videobotschaft mit.
Popkultur, Coolness, Punk und Politik scheinen sich zu mischen und werden ideologisch aufgeladen. Oh Mann, Leute, kein Mensch kümmert sich um Coolness, wenn man nichts mehr zu fressen hat.
Dabei ist Griechenland Europa. Allein der Name *Europa* kommt von einer griechischen Sage. Wer Geschichte studiert, kennt 3 Epochen, manchmal 4: Alte Geschichte, Mittelalterliche Geschichte und Neuere und Neueste Geschichte.
In der Alten Geschichte geht es nur um Griechenland oder Rom. Am Anfang des Zeitstahls steht Homer und damit meine ich nicht eine gelbe Witzfigur aus Springfield.
Das ist der Unterschied zu den anderen südlichen Ländern in Europa. Wir glauben alle, unsere Demokratie sei eine griechische Erfindung. Oliven und Pfirsiche sind nicht die einzigen griechischen Importgüter.
Die Griechen sind schließlich nach Italien gesegelt und einige Italienische Städte haben griechische Namensgeber. Dann stiegen die Römer auf und haben das römische Reich gegründet. Danach ist Mittelalter. So mal grob.
Die ideologische Aufladung hat erst begonnen.
1 Comment
Roxy | early birdy
7. Juli 2015 at 10:50Es wird immer nur über Griechenlands Schulden gesprochen und auf das Land eingedroschen, das seine Schulden ganz offenbar nicht bezahlen will. Und ich würde mir auch mal wünschen mehr über die Situation dort vermittelt zu bekommen. Alte Menschen die vor Banen weinen? Hatten wir auch sicher während der Wirtschaftskrise auch hier zu Lande. Ich finde es sehr sehr schade, dass nun das „einfache Volk“ Versäumnisse ausbaden muss, die durch jahrelange Misswirtschaft und Manipulation verursacht wurden.
Andererseits blicke ich auf Island. Das Land war 2008 am Arsch. Also komplett am Arsch und kurz vor der Staatspleite, nachdem alle 3 großen Banken des Landes hopps gegangen sind. Aber Island hat Gegenmaßnahmen ergriffen, hat Strafverfolgungen in gang gesetzt, die Renten wurden um bis zu 25% gekürzt und die die Arbeitslosigkeit stieg rasant. Ja, war wohl ziemlich unbequem, aber offenbar auch effizient: Der kleine Inselstaat hat sich in wenigen Jahren aus der Krise gezogen und die Wirtschaft geht wieder bergauf. Zeigt mir: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.