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Erzähl mir von… dem letzten Urlaub als Kind

Alle wollen vorwärts kommen. Zukunft, Kind, Karriereplan. Immer geht es um das Morgen. Aber wie war dein Leben denn, als du ein Kind warst? Wie war es denn als Teenager? Erzähl mal.

Larissa vom  No Robots Magazine, Roxana vom early birdy und Sabine vom fadenvogel tauschen jeden ersten Sonntag im Monat Erinnerungsstücke aus. Ein Thema – drei unterschiedliche Texte, drei unterschiedliche Frauen, drei unterschiedliche Leben.

Im August werden in den meisten Familien die Reisetaschen gepackt und da sind sie auch: die digitalen Berichte über Kinderplanschbecken, die Fotos auf Facebook vom Nachwuchs am Strand, die 10 Tipps zum Reisen mit Kindern auf bloglovin. Doch wie war das eigentlich zuvor? Vor den eigenen Kindern, den eigenen Plänen, den eigenen Recherchen im Netz? Wie war es, als man ein Kind war und in den Urlaub fuhr? Wann hörte es auf, dass man ein Kind war?

Mein letzter Urlaub als Kind führte mich nach Italien. In ein Ferienhaus am Strand. Natürlich weiß ich nicht mehr, wo genau das war, obwohl ich bereits über 18 Jahre alt gewesen sein muss. Ich weiß es nicht, weil ich nichts plante. Ich setzte mich auf den Rücksitz eines Autos und hatte einen aufgeladenen CD-Diskman auf dem Schoß und wurde irgendwo hin gefahren. That´s it. Essen, Sonnencreme und Schlafplatz – das war nicht mein Problem. Ich war das Kind. Ich hatte mir eine extra Haarkur gekauft. Das weiß ich noch. Ich hatte lange gerade lange Haare und Sorge, dass mir die Sonne und das Salzwasser die herrliche Struktur ruinierte und sehr stolz darauf, eine Wochenpackung mit kleinen Proben für jeden Tag besorgt zu haben. Das und die Bücherauswahl aus Bibliothek und Buchladen war meine persönliche Vorbereitung und die kam mir schon stressig damals vor. Ihr seht, ich war das Kind.

Ich war aber nicht das einzige Kind. Ich habe einen kleinen Bruder. Ich glaube nicht, dass wir uns besonders registriert haben damals. Eine vierköpfige Familie in Italien. So könnte es gewesen sein. Aber bei einem typischen Familienurlaub waren wir mehr. Mein Onkel und meine Tante fuhren meistens auch mit uns zusammen weg. Nicht immer, nicht jedes Mal, aber doch sind in meiner Erinnerung die beiden mit ihren Kindern auch immer dabei gewesen.

Das ist vor allem und am wichtigsten meine Cousine. Die kleine Schwester, die ich nicht hatte, hatte ich in unseren Urlauben. Wir haben uns stets ein Zimmer geteilt und es fühlte sich an wie bei Hanni und Nanni. Für mich war es ein großer Spaß. Sie ist jünger als ich, stiller und schlanker – heute denke ich, dass sie eine ganz andere Geschichte erzählen würde über uns. Ich war laut, hatte immer die Idee, immer den Ton. Auch in Italien. Erst habe ich Geschichten geschrieben, in Italien habe ich die Schwarz-weiß-Fotographie entdeckt. Natürlich waren wir am Strand und haben mit einer kleinen Kamera Fotos geschossen. Vom Meer, von den Wellen und von uns selbst. Gegenseitig. Vielleicht hätte ich ihr sagen sollen, wie eifersüchtig ich auf ihre kleine zierliche Gestalt war. Ich kam mir vor wie das Walross neben ihr.

Etwas war aber in diesem Urlaub anders. Uns allen war klar, dass es unser letzter in dieser Konstellation sein würde. Das kümmerte mich nicht. Ich war voller gelangweilter Pubertät, hatte meinen ersten Freund und konnte es wie jeder Teenager nicht glauben, dass sich in diesem ewig scheinenden Leben je irgendwas ändern würde. Die Naivität der Jugend.

Meine Cousine hatte seit ein oder zwei Jahren eine kleine Schwester. Sie stolperte uns am Strand hinterher. Wollte mit den großen Mädchen mitmachen. Ich fand das lästig. Meine Cousine nicht. Sie verstand ihre Schwester. Das Nesthäkchen, der Nachzügler der Familie. Ich rollte mit den Augen und wollte ein Foto machen, auf dem ich mich nicht wie das Walross fühlte. Und das bekam ich auch. Mit dem Kleinkind auf dem Arm lächle ich schließlich in die Kamera. Das Foto ist gestellt. Ich habe mich nicht besonders um das Baby gekümmert, doch ich sehe aus wie eine blutjunge Mutter im Sonnenlicht.

All die Urlaube führten uns als Kinder immer ins Abenteuer. Unsere Ferien waren nie langweilig.Wir waren immer wo anders. Wir saßen zusammen krank in einem Haus an der Nordsee, tranken Tee und spielten Rommee. Wir fuhren mit einem Wohnmobil durch Amerika und konnten es nicht glauben, dass es Schinken mit Honig gab. Wir liefen durch San Francisco oder fuhren in der Kolonne Ski in den Alpen. Wir waren immer 4 Kinder. Doch ich war bereits am Abflug, machte eigene Pläne, wollte eigene Geschichten. Der letzte Urlaub war ein Zerrbild. Das älteste Kind rief ihren Freund an, das jüngste hatte eine Schnullerkette. Es war klar, dass es aufhörte.

Das kleine Mädchen vom Strand in Italien hat inzwischen Abitur gemacht und hat eigene Erinnerungen an abenteuerliche Familienurlaube. Irgendwann wurde klar, dass sie die Familiengeschichten vor ihrer Geburt ziemlich unfair fand. Der große Amerikaurlaub als das krasse Ereignis in der Chronik wurde nicht mehr in allen Facetten breitgetreten. Sie hatte keine Chance, dabei gewesen zu sein. Niemand wollte sie mit der Wiederholung der Geschichten darüber noch weiter verletzen. Ihre Familie hat neue Urlaube gemacht. Neue Erinnerungen mit ihr, die sie wohl zusammen erzählen.

Es gibt in unserer Kindheit nur eine Überschneidung. Und das ist mein letzter Urlaub als Kind. In Italien mit meiner Tante und meinem Onkel zusammen mit meiner Familie. In einem Haus am Strand. Wo die Erwachsenen Wein getrunken haben und die Köchin meiner großen Cousine einen Schweinekopf zeigte, wo wir uns zum letzten Mal ein Zimmer teilen und ich sie mit den großen Erfolge dieser Haarkur belehrte. Meine zweite Cousine wuchs ohne mich auf. Sie war klein und kam hinzu, ich war bereits halb erwachsen und wo anders. Mein letzter Urlaub als Kind ist einer ihrer ersten. So ist das in Familien. Es passiert alles in Wellen. Heute würde ich sagen: Wie beruhigend. Wie beruhigend schön.

6 Comments

  • Larissa//No Robots Magazine
    7. August 2016 at 15:15

    Meine Cousine war ein Hund. 😮 Mein Text sticht diesmal ein bisschen raus…

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  • uli
    7. August 2016 at 16:49

    Du hast so eine beruhigende Art zu schreiben und es stimmt mich immer ein bisschen melancholisch.

    Und mach um Himmels Willen bei Roxy einen Bindestrich in die Adresse, hab Grad fast einen Herzpatschen bekommen ?

    Reply
    • fadenvogel
      7. August 2016 at 18:23

      Wohaaaa…..ja, das kommt davon, wenn man zwischen Kindern und Bergtierpark mit Landnetz seinen Blogbeitrag zum Veröffentlichen gibt. Sorry und danke für den Hinweis!

      Reply
    • Roxy
      7. August 2016 at 18:35

      Oh mein Gott, du bist auf der stillgelegten superbunten Häschenseite gelandet, oder?

      Reply
  • Roxy
    7. August 2016 at 18:37

    Deine Cousine war meine X 😉 Auch die Schwester die ich nie hatte. Ich kann mich tatsächlich an kaum etwas aus meiner Jugend erinnern, wo sie nicht dabei gewesen wäre…

    Reply
  • *thea
    8. August 2016 at 10:23

    Ich habe eine kleine Schwester, die immer dabei war – aber zu zweit fande ich die Urlaube nie so schön, wie die mit anderen zusammen. Meine Eltern waren nicht so gesellig aber manchmal waren wir dann doch, ähnlich wie ihr, in einem größeren Verbund unterwegs. Das waren für mich die schönsten Urlaube – auch wenn es für die Erwachsenen vielleicht anstrengender war. Danke fürs teilen deiner Erinnerung 😀

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