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Die Hochzeiten unseres Lebens

HochzeitEs sind zehn Hochzeiten„, sage ich zu meinem Mann während wir frühstücken. Er schmiert sich gedankenverloren Marmelade auf sein Brot. „Echt? Schon 10 Stück?“ Wir haben gemeinsam darüber nachgedacht, wie viele Leute sich in unserem Umkreis seit unserer Hochzeit das Jawort gegeben haben.

Unsere Heirat war 2007 – das waren zehn Hochzeiten seitdem. Mein Mann zuckt mit den Schultern. „Nun ja, ich dachte irgendwie, es seien weniger.“ Ich schneide ein anderes Marmeladenbrot in kleine Quadrate für die Jungs. „Hmmmm,“ sage ich schließlich. „ Es waren zwar zehn Hochzeiten, aber wir waren nicht zu jeder eingeladen.“ „Aha,“ mein Mann zeigt spielerisch mit seinem marmeladenverschmierten Messer auf mich. „Doch nicht zehn Stück. Bei wie vielen waren wir jetzt wirklich?“ Wir rechnen nach. „Sechs Hochzeiten“ „Unsere Statistik sinkt.“ Ja, denn die Menschen heiraten zwar nach wie vor, aber eine Hochzeit kann heute alles mögliche sein. Manchmal ist sie gar nicht mehr als Hochzeit zu erkennen, machmal kriegt man auch nur eine Karte.

Wir machen ein Ranking der Hochzeiten, auf denen wir gewesen sind. Eine der schönsten Hochzeiten war die Hochzeit im Spreewald. Aber wir waren vor Jahren auch mal auf der Hochzeit eines entfernten Freundes, der in einem Dorf die Tochter des Kapellmeisters geheiratet hat. Die Trauung fand in einer kleinen Kirche statt, die Kapelle zog mit der Braut durch das Dorf bis zur Mehrzweckhalle und dort waren in der Turnhalle lange Tischreihen aufgebaut. Das Wetter war schön und die Braut strahlte und schwang den Dirigentenstock. Alle haben Kuchen mitgebracht und feierten bis spät in die Nacht.

Klingt diese Beschreibung *kotzwürg* spießig für dich?

Naja, das Schöne an Hochzeiten ist, dass man darin so gut das Paar wieder erkennt und wenn ein Paar authentisch ist in seiner Feierei, dann kann die ganze Aktion nicht spießig werden. Eine Hochzeit ist ja ein bisschen ein Spiegel. Die Hochzeit der italienischen Kapellmeistertochter war lebenslustig und umaufgedonnert, bodenständig und ohne Angeberei. Sie sind so wie sie sind. Mit Mütter, die gerne ein Kuchenbüffet hinstellen, mit einem Kleid, dass ein bisschen an das Kleid von Marylin Monroe erinnerte. Ganz klar weit oben in unserem Ranking.

Wir sind auch mal für eine Hochzeit bis nach Spanien gefahren. Die Feier war groß und pompös und das Essen wurde serviert bis spät in die Nacht. Es gab kleine Geschenke für die Gäste. Die spanischen Mädchen sahen aus, als ob sie direkt zum Oscarball eingeladen gewesen wären und guckten ein bisschen wegen unserer schlichten Sommerkleid-Hochzeits-outfits. (Ganz ohne Rüschen? Ist das eurer ERNST?) Diese Feier war ein Exot in unserem Ranking und steht bisschen außerhalb, da man schlecht etwas bewerten kann, was in einem halb zerfallenen, melancholischen spanischen Dorf stattfindet. Bei 30 Grad im Schatten. Das läuft irgendwie außerhalb unseres normalen Spektrums.

Was gehört zu einer Hochzeit dazu?

Schwierige Frage. Mal auf jeden Fall ein Paar. Ein Paar, dass sich irgendwie feiert und sich in der Öffentlichkeit und für die Öffentlichkeit schwört, ein Leben lang zusammenzubleiben.

Manche schwören vor Gott, andere setzen einen rechtsverbindlichen Vertrag auf und unterschreiben vor einem Beamten – es gibt viele Formen.

Dann sollte es auf jeden Fall etwas zu Essen und zu Trinken geben.

Und die Möglichkeit, sich das Leben des Paares anzusehen. Des Leben des Paares sind ihre Gäste. Die Zeugen sozusagen. Freunde aus der Schulzeit unterhalten sich mit Freunden von heute. Die Omas kommen zusammen, die Kinder. Ich halte eine Hochzeit immer noch für ein generationenübergreifendes Familienfest. Keine Ahnung, wieso. Vielleicht, weil ich von Natur aus Neugierig bin und immer sehr sehr viel über die Menschen erfahre.

Mein Mann und ich unterhalten uns lebhaft am Frühstückstisch. „Wie viele aus unserem Umfeld haben also so geheiratet? Als Paar mit Schwur in der Öffentlichkeit, mit ordentlich was zu essen und mit allen, die zu ihrem Leben gehören?“ Da muss ich schlucken. „Bedeutet es, wenn man nicht zu einer Hochzeit eingeladen wurde, dass man nicht zu dem Leben dazugehört?“ Mein Mann zuckt wieder mit den Schultern und kneift die Augen zusammen. Er sinniert marmeladenbrotkauend über diese schwerwiegende Frage. „Nach deiner Definition: Nein, du gehörst nicht zu ihrem Leben. Aber es gibt Leute, die wollen heiraten ohne eine Hochzeit zu feiern. Sie feiern nur mit ihrer Familie oder wollen diesen Blick in das Privatleben nicht teilen. Das ist deswegen nicht weniger eine Ehe, nur halt keine große Hochzeit.“ Ich rolle mit den Augen. Ich mag Ehen, die mit einer Hochzeit anfangen. Das Leben ist zu kurz für kleine Feiern.

Es waren von den 10 Hochzeiten, nein, es waren doch 12 Hochzeiten, also von diesen 11 Hochzeiten waren wir bei 8 Hochzeiten dabei mit Eheschwur und Essen. Eine davon war eine Gegeneinladung und die Freundschaft ist auch auseinander gegangen. Bei wieder einer anderen wurde uns klar, dass wir zwar auf der Hochzeit sind, aber das wir gar nicht befreundet waren. Von den 12 Hochzeiten gingen also 6 positiv für uns aus. Bei den Nichtfeiern wurde uns bei zwei gesagt, das Paar feiere dann im Sommer eine große Gartenparty oder es gibt sonst noch was im Sommer dann (passiert nie).

Eigentlich blöd für uns, wenn wir bei 12 Hochzeiten nur 6 in positiver Erinnerung haben.“ Ich muss nicken. So habe ich es noch gar nie gesehen. Aber klar, bei Hochzeiten ist nicht immer alles Butterblumenschön. Manchmal wird einem klar, dass man doch nicht zum inneren Kreis gehört. Manchmal ist es den Brautleuten auch gar nicht wichtig oder sie müssen so viel anderes bedenken, dass man als „random friend“ aus der Statistik fällt. Wirklich vorwerfen kann man das ja niemand. Bei meiner eignen Hochzeit habe ich auch manch seltsame Entscheidung getroffen, die mir erst viel später als total strange aufgefallen ist. Wieso habe ich den nochmal nicht eingeladen? Wieso habe ich den eigentlich eingeladen? Wieso habe ich diese Trauzeugin gefragt und nicht jene? Wieso gab es eigentlich keinen Kuchen? Wo waren die ganzen Kinder?

Ja, eine Hochzeit ist halt auch nur so ein Status Quo. Ich verstehe langsam, warum Menschen manchmal nach Jahrzehnten ihre Hochzeit noch mal feiern. Mit der Zeit ändern sich halt auch so viele Dinge, die man vorher gar nicht bedacht hat und in so einer „neuen Feier“ klarlegen möchte. Irgendwie bescheuert. Irgendwie klug.

Unsere Frühstücksdebatte ist fast zu Ende,auf unserem Esstisch liegt eine neue Einladung. In 11 Wochen, knappe Kiste. Das wird unsere erste Feier, bei der wir den Eheschwur gar nicht mitbekommen, sondern gleich zum Essen übergehen. Auch gut, das *wir feiern im Sommer nach* wird dadurch wenigstens umgangen. Die Einladung ist auch ohne Kinder gedacht. Wir gucken uns an. „Du kannst gerne hingehen.“ sagt mein Mann. „Ich kann derweil auf die Kinder aufpassen.“ Ich lächle. „Das ist echt nett von dir, aber ich habe bei den 12 Hochzeiten unseres Lebens eines gelernt: Hochzeiten sind eigentlich unwichtig, an manchen waren wir und unsere Freundschaft ist zerbrochen, zu anderen waren wir nicht eingeladen und es ist immer noch eine Freundschaft.“ Er runzelt bisschen die Stirn und räumt die Teller ab. Die Jungs quietschen ums uns herum. Wir müssen uns langsam fertig machen. Ich drücke auf den Kaffeeknopf der Maschine und sage: „Unsere eigene war aber cool.“ Er lacht. „Klar, und die war super-wichtig.“ Ich nicke. Mein Kaffee ist heiß in meiner Kaffeetasse und ich nippe daran.

10 Comments

  • Mecki von fein & raum
    28. Februar 2015 at 09:30

    Immer wieder schön, Deine Texte! Ich hab jetzt grade auch ein bisschen darüber sinniert bei welchen Hochzeiten wir so eingeladen waren die letzten Jahre…. und es wird weniger mit den Einladungen – ich komme in ein Alter wo nicht mehr soviel geheiratet wird. Selbst die eigene jährt sich bald zum zehnten Mal, Wahnsinn.
    Ich wünsch Dir ein schönes Wochenende,
    LG, Mecki

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    • fadenvogel
      28. Februar 2015 at 12:53

      Danke, das freut mich. Meine jährt sich ja in zwei Jahren zum 10ten Mal, aber wir haben auch ziemlich schnell geheiratet. Nach nur einem Jahr Beziehung war klar, dass wir heiraten und nach einem weiteren war dann Hochzeit. Selbst meine Oma (eigentlich ein Feind langjähriger Beziehungen ohne Trauschein) war skeptisch wegen der Schnelligkeit und hat mehr als einmal gefragt, ob wir nicht ein Kind erwarten täten. Ich musste ihr mehrmals versichern, dass wir wirkliche aus Spaß an der Freude heiraten…Kinder kamen ja erst Jahre später…

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  • Regula
    28. Februar 2015 at 17:29

    Ich war schon auf ganz vielen Hochzeiten. Früher mehr, heutzutage auch wieder mehr. Der Blick ändert sich. Das viele Glück, die grossen Erwartungen sind mir fast zu viel. Aber klar, es gehört dazu, sonst würde wohl niemand den Schritt wagen. 😉

    Die schönsten Hochzeiten sind die authentischen, wenn beide dem Fest gleichviel Prägung, gleichviel Farbe geben. Ich war schon barfuss an Hochzeiten, in Scheunen, in gediegensten Restaurants, auf Wiesen. Manchmal passte meine Kleidung, manchmal nicht. Manchmal wars stinke langweilig, meistens super lustig, weil die Tischnachbarn gestimmt haben.

    Ich wünsche dir viel Freude an den kommenden Hochzeitsfesten. lg Regula

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  • Larissa//No Robots Magazine
    28. Februar 2015 at 19:43

    Lass mal rechnen … Wir waren 2007 zum ersten mal zusammen auf einer Hochzeit. Seitdem waren es … neun. Plus eine Nach-Hochzeitsfeier für die, die nicht nach Spanien eingeladen worden sind. Zweimal waren wir allerdings zweimal da: beim Standesamt und ein Jahr später noch auf der richtigen Feier (ja, das erleben wir tatsächlich öfter). Manchmal kann man auch einfach nicht sofort die richtige Feier machen.
    Ich bin aber sowieso kein Freund der typischen Hochzeit. Die Trauungen sind oft langweilig, dann wartet man ewig, bis wieder irgendwas passiert, bis dahin hat man riesigen Hunger, dann isst man ewig und dann fängt vielleicht mal eeeeeendlich der lustige Part an. Wenn die ersten schon wieder ihre Kinder ins Bett bringen müssen. Apropos Kinder: Zur Hochzeit einzuladen und die Kinder der Gäste auszuschließen finde ich persönlich ganz schön mies *justsayin*

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    • fadenvogel
      28. Februar 2015 at 21:28

      erstmal herzlichen Glückwunsch zu einem Freundeskreis, der es organisatorisch hinkriegt ZWEIMAL zu feiern. Mit der richtigen und mit der anderen Hochzeit, wie auch immer man jetzt welche betiteln möchte.

      und nochmal herzlichen Glückwunsch, dass du die NACHfeier nicht nur als Mythos erlebt hast.

      Und dann ein Wort zu den Kindern: Ja, ich finde es auch blöd, allerdings fängt das ganze erst um 20 Uhr an, deswegen erübrigt sich das eh. Sie wollen halt mit dem Teil beginnen, den du auch als lustigen Part benannt hast. Irgendwie versteh ich das auch…

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      • Larissa//No Robots Magazine
        1. März 2015 at 13:00

        Das verstehe ich auch. Würde ich auch so machen. 😉 Allerdings hat unser Freundeskreis so viele Kinder, dass der lustige Part deutlich früher anfangen muss, damit die Kinder auch was davon haben. 😉

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  • Hana Mond
    1. März 2015 at 22:19

    Hm, der Liebste und ich waren erst auf einer Hochzeit, seit wir ein Paar sind (wir sind ja noch unverheiratet), und die war zwar sehr schön, die Ehe hat aber nichtmal das erste Jahr überlebt … schade 🙁
    Mir haben schon zwei nicht allzu enge Bekannte gesagt „Sorry, dass du nicht eingeladen warst, uns ging halt der Platz aus“ – wo ich gar nicht erwartet hätte, dass ich für die Gästeliste infrage gekommen wäre.
    Insgesamt war ich bisher auf 7 Hochzeiten – schön waren die, wo ich einige Gäste kannte. Ich fremdele in großen Gruppen, in denen ich kaum jemanden kenne, und die Brautleute sind ja auf der Hochzeit diejenigen, mit denen man am wenigsten redet, weil die sich auf 50-200 Gäste aufteilen müssen …
    Mein Cousin heiratet dieses Jahr wohl nur mit Eltern und Geschwistern dabei, meine Mutter fand das nicht gut – ich finde, er soll so feiern, wie er zufrieden ist. Hochzeiten sollen für das Paar besonders sein – schön, wenn ich als Gast teilhaben darf, aber das sollte man auch nicht überbewerten, denke ich, die Einladung und generell als Gast die Hochzeit. Für das Brautpaar ist es eben besonders und (naja, meist) einmalig, für die Gäste eine Festivität in einer Reihe von anderen. Aber eine schöne, weil sie vom Glück handelt.

    Liebe Freunde, bei denen ich im letzten Jahr ein wenig das Gefühl hatte, mich etwas zu entfremden, heiraten dieses Jahr, vorm großen Kirchentermin erstmal ganz klein im engsten Kreis standesamtlich – der Bräutigam hat mich gefragt, ob ich ein paar Fotos machen würde, die Braut hat gefragt, ob ich sie schminken kann. Schwupps, standen nicht nur ich, sondern auch mein Partner und meine Schwester mit auf der engster-Kreis-Gästeliste für die kleine Feier … und ich habe das Gefühl, die Freunde und ich rücken wieder näher zusammen. Wie schön, bei so einem Fest der Liebe.

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  • +thea
    3. März 2015 at 14:57

    Ein schöner Text, das regt wirklich zum resümieren an. Ich habe einen ziemlich unterschiedlichen und weit versträuten Freundeskreis, und die Hochzeiten waren dementsprechend auch unterschiedlich und haben aber immer zu den Paaren gepasst, das finde ich auch das Wichtigste. Ich war in Berlin bei einer Clubbesitzer-Hochzeit und beim schwäbischen Unternehmertum inklusive Rede vom Bahnchef zu Gast – im Österreichischen Almhotel und auch bei mir im Dorf mit Polterabend mit Weißbierkarussell. Da ich mit meinem Freund noch nicht so lange zusammen bin nur auf einer mit ihm und da auch eher als plus1, weil das alte Studienkollegen von ihm waren, die groß eingeladen haben. So Plus 1 Sachen mag ich irgendwie nicht …aber wenn man halt Ü30 zusammen kommt gibts halt nicht nur den einen gemeinsamen Freundeskreis in München..hm jetzt habe ich schon wieder so viel geschriebn 😉 Also du sieht, ein gutes Thema zum Kommentar-ratschen! lg

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    • fadenvogel
      3. März 2015 at 20:11

      Danke.

      Ja, wir haben auch lange überlegen müssen, wer welche Feier gefeiert hat und wie sich vor allem die Freundschaft entwickelte. Danach, davor. Eine Hochzeit ist halt auch das Zelebrieren der eigenen Liebesgeschichte, wo bei es da ja keine falsche Art zu feiern gibt. Den einzigen Fehler, den man dabei begehen kann, ist den falschen Partner zu heiraten.

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  • […] Ein Projekt war eine Tasche zu einem Kleid anlässlich der schon mal erwähnten Hochzeitsfeier. […]

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