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Samstagskaffee über das Glück

Heute gucke ich wieder durch den Regen hindurch auf die Bergwand vor dem Haus meiner Eltern. Es ist kühl geworden. Fast wie ein Septembertag.

Es ist kaum still in meinem Leben. Überall lacht jemand oder weint, überall kreischt jemand oder schläft nicht oder schläft. Dennoch hatte ich heute neben Blogdesignstudien und E-Zigarettendampf einen Espresso in der Stille des Regens.

Die Tasse gehört meiner Mutter. Sie hat für jeden von uns Tassen zum passenden Geburtsmonat und ich komm nicht drumherum, mich daran auch in ihrer Urlaubsabwesenheit zu halten. Ich nehme die mit dem Frühling. Jedes Mal.

Meine Eltern sind keine Sammler, sie entsorgen gerne Dinge, obwohl sie als Kinder der Fünfzigerjahre nie etwas verschwenden würden. Meine Mutter dekoriert auch nicht übermäßig viel. Ihr Haus ist nicht mit Erinnerungen überfrachtet.

Trotzdem hat mein Vater dieses Hufeisen aufgehängt. Es soll dem Haus Glück bringen. Heute ist mein Blick irgendwie daran hängen geblieben und ich musste über Glück nachdenken.

Ich bin kein Mensch, der das Glück besonders schätzt. Ich habe Geschichten lieber, in denen es um das Streben geht. Ich gönne Menschen ein gutes Leben mehr und von Herzen, wenn sie es sich erarbeitet haben und es der Lohn harter Tage ist als dass es ihnen irgendwie einfach auf ihrer Couch in den Schoß fällt. Ich bin kein Freund der Lotteriekinder, der Sonnenmenschen. Wenn ich von einem Unglück in meinem Bekanntenkreis höre, dann schüttele ich gerne den Kopf und denke: „Das hat er jetzt aber nicht verdient.“ Wenn ich mitkriege, dass jemand jammert und nichts dagegen tut und sich dann die Situation ändert, weil ihm das Glück aus der Patsche hilft, dann habe ich kurz in meinem Magen so ein verkrampftes „Mpfff“- Gefühl.

Bei mir selbst ist das natürlich anders. Ich habe dann eher einen „Ufff“- Gott sei Dank- Magen, wenn es um meine Patsche-situationen geht.

Ich glaube von mir, dass das ein Fehler ist.

Ich wäre gerne rein und würde wie ein Engel jedem sein Glück von Herzen gönnen.

Aber das stimmt nicht. Ich habe nicht so ein offenes Herz. Aber ich übe.

In der Antike würde ich gar nicht verstanden werden. Da galt das „Hans-guck-in-die-Luft“- Glück für die Liebe der Götter. Wenn jemand aus einer Situation ohne sein Zutun gerettet wurde, dann hat ihn halt Aphrodite ins Herz geschlossen. Schulterzuck. Ende der Geschichte. Ich hätte gerne diese Sichtweise, aber ich bin manchmal nicht so. Außerdem stelle ich mir die Menschen in der Antike als nicht solche Jammerlappen wie heutzutage vor, die wie der treueste Untertan immer die Gesellschaft für ihre Lebenssituation verantwortlich machen.

So ein bisschen „Jeder ist seines Glückes Schmied“ – Einstellung wäre mir manchmal sehr recht.

Aber selbst das ist überheblich von mir. Ich hatte nämlich sehr viel Glück in meinem Leben. Glück, dass meine Eltern mich wollten. Glück, dass sie nicht mittellos waren. Glück, in einem sicheren Land geboren worden zu sein. Glück, dass ich gesund geboren wurde. Glück, dass ich immer noch halbwegs gesund bin. Glück, dass mein größtes Problem am Samstag ist, zwei Minuten Ruhe für einen Espresso zu finden.

Aphrodite liebt mich.

Ich sollte aufhören, mich über Jammerlappen und Untertanengeister zu ärgern.

Das fällt mir schwer. Aber, wie gesagt, ich übe.

Meinen Espresso stelle ich zu den anderen. Und frage mich, ob ihr das „Mpfff“- Gefühl im Magen kennt und ob ihr auch dagegen ankämpft, anderen ihr unverdientes Glück gönnen zu können.

4 Comments

  • Regula
    17. August 2014 at 11:05

    Mit dem Glück hab ich’s wie du. Ich hatte viel Glück, aber auch Unglück. Wir sind für unsere Leben zu einem grossen Stück selbst verantwortlich.
    Es fragt sich auch, was es zum Glück braucht. Vielleicht gar nicht so viel, wie wir meinen. Und dann finde ich eben, dass zufrieden sein schon völlig ausreicht, gewürzt mit Glücksmomenten. Schönes Wochenende. Regula

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  • Larissa//No Robots Magazine
    17. August 2014 at 11:34

    Sehe ich genauso. Ich möchte jedem sein Glück gönnen – aber ich hasse es, wenn Leute nur rumsitzen und weinen, aber nichts dafür tun, ihre Situation zu verbessern. Klar, jeder hat mal einen Heulmoment – aber danach muss man sein Glück auch wieder selbst anpacken. Im Gegenzug finde ich es total unfair, wenn manche Menschen alles für „umsonst“ zu bekommen scheinen.
    PS: Ich finde dein neues Design super! Und übrigens waren wir vor ein paar Wochen noch fast Nachbarn. So viel zu: so klein ist die Welt. 🙂

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  • *filigarn*
    17. August 2014 at 12:59

    Ich denke, dass wir es uns manchmal ganz schön schwer machen. Vielleicht muss man vieles einfach leichter nehmen, leichter annehmen. Es sind sooo viele Glücksmomente da – auch an einem ganz ruhigen Tag. Gesund sein, einen schöne Zeitschrift lesen, bei Sonne oder Regen die frische Luft genießen – das Glück wartet gleich um die Ecke. ich übe aber auch sehr doll, es so einfach anzunehmen, ist nicht einfach! …

    Ganz liebe Grüße
    Nadja von filigarn

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  • carmen
    17. August 2014 at 18:50

    Hallo!
    Wow, ich finde dein neues Blogdesign echt toll. Musste nochmal nachschauen, wo ich denn jetzt gelandet bin, finde es echt edel!
    Lg

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