Und jetzt ist alles anders. Na ja, die Sonne geht immer noch morgens auf und abends unter. Man muss vorsichtig sein, dass man sich nicht was Schlimmeres vorstellt, um die jetzige Situation erträglicher zu machen. Zuerst fühlte es sich eher an wie eine Unterbrechung. Kurzes Innehalten, eine staatlich verordnete Pyjama-Party. Wir halten mal für einen Moment die Luft an.
Okay, jetzt kommt das Ausatmen.
Doch es kommt nicht. Statt dessen fällt alles immer mehr auseinander. Jeder redet unendlich viel über die eigene Situation und man lernt die Nischen der eigenen Gesellschaft kennen. Wie man in diesem Land Spargel erntet, beispielsweise. Oder dass es Menschen mit einem Hochschulstudium in diesem Land gibt, die kein PDF erstellen können.
Manchmal stelle ich mir diese Krise wie einen See vor, von dem jemand das Wasser abgelassen hat. Immer mehr sinkt der Wasserspiegel und man sieht das Geröll des Grundes in der Sonne. Diese Felsen waren schon immer da, nur das Wasser des Alltags hat sie verdeckt. Plötzlich kann man nicht mehr darüber hinweg schwimmen, sondern man stolpert, stützt, verletzt sich. Und jeder will das Wasser zurück und schreit. Manche sagen, dass ihr Seite des Sees bereits völlig trocken ist und sie in Eimer ihre letzten Fisch versuchen, am Leben zu halten. Bei mir wurde auch das Wasser abgelassen und ich versuche nicht mehr, alle Fische zu retten. Ich glaube, dass Wasser kommt nicht so schnell zurück.
Das Geröll aber, das Geröll am Grund war schon immer da. Vielleicht ist nicht die Lösung, alles wieder voller Wasser zu schütten. Vielleicht sollte man auch einige Steine abtragen.
1 Comment
Frau Jule
22. Mai 2020 at 16:58eine schöne metapher. mal sehen, wie das aussieht, wenn wieder wasser drin ist…
liebst,
jule*