Menu

Alles digital. Über die sinnlose Effektivität unserer Zeit

Ich lebe gerne in diesen Zeiten. Schon öfters habe ich hier lang und breit aufgeschrieben, wie sehr ich den Luxus der Modernen genieße.

Ich muss das sagen, denn es folgt Kritik.

Und ich möchte nicht am Ende nochmal darauf hinweisen, wie glücklich und selbstzufrieden ich doch bin. Hier in meinem Leben.

Alles fing mit meinem Kindle an. Ich liebe mein Kindle. Unsere Beziehung verfestigte sich, als ich heimlich unter dem Gitterbettchen im schwachen Licht den Roman fertig las und gleichzeitig meine andere Hand zur Beruhigung auf den Bauch meines Säuglings legte. Wir konnten immer zusammen sein. Wog ja fast nichts, das dumme Ding. Ich konnte mich mit Wickeltasche und Wechselwäsche stundenlang auf irgendwelchen Spielplätzen rumdrücken. Am Ende – wenn meine Kinder dann doch im Kinderwagen schliefen – hatte ich immer Zeit für mein Kindle. Passte ja noch in meine Tasche.

Irgendwann hatte ich den Geruch von Papier fast vergessen. Ich vermisste auch nichts. Doch dann kehrte ich doch zu den Büchern zurück. In letzter Zeit schleife ich mein derzeitiges Lesewerk immer von Couch zum Bett und wieder zurück. Es zerfleddert unter meiner ständigen Benutzung und es riecht wieder nach Papier. Ich glaube, es liegt an der Überdosis. Wer nur noch digital ist, der mag auch mal was anderes machen. Ich lese ja nur noch am Computer. An irgendeinem.

Dabei war das gar kein so aktiver Akt. Die Sache mit dem Buch. Seit Jahren bin ich Mitglied der Büchergilde Gutenberg. Ich habe eine Kaufverpflichtung von 4 Büchern im Jahr. Machbar, sozusagen. In den letzten Jahren sind mehr Kinderbücher dazu gekommen. Trotzdem- in die Buchhandlung Moths am Isartor in München gehe ich bei meinen Stadtausflügen immer noch gerne. Jetzt habe ich den Buchkauf dieses Jahr ewig aufgeschoben und jetzt doch mal einen Roman für mich ausgesucht.

Und ich bemerke, dass ich unbemerkt seufzte, wenn ich in einer Fernsehserie der 90er eine Plastik- Kaffeemaschine sehe. Es gab mal Sachen, die konnten echt nur eine einzige Sache. Wie Kaffee. Keine Multifunkionsgeräte.

Da war ein Mixer noch ein Mixer und kein Thermomix.

Ein Buch noch ein Buch und keine digitale Bibliothek.

Ich will jetzt nicht jammern, aber ich jammere doch. Oft hänge ich an meinem Handy wie ein Junkie an der Nadel. Ich chatte, ich mache ein Foto, ich lese die Zeitung, ich beantworte eine whatsapp-Nachricht, ich schaue mal bei Facebook vorbei, da sehe ich meistens Nachrichten, dann lese ich einen Artikel.

Und am Ende sieht man mich nur ein dem kleinen Ding herumtippen.

Ich bin halt effektiv. Mein kleines Handy kann alles.

Ich könnte mit drei Geräten in den Urlaub fahren und wäre wochenlang beschäftigt.

Manchmal, wenn ich jetzt mein altmodisches Buch lese, möchten meine Kinder, dass ich ihnen daraus vorlese. Sie kuscheln sich zu mir und wollen von mir wissen, wo in dem Text ich gerade bin. Machmal benutze ich ihre Finger und wir streichen gemeinsam die gelesenen Wörter entlang.

Klingt höchst romantisch.

Klingt nicht nur so, ist auch so. Da bemerke ich, dass diese Welt für sie wohl völlig abstrakt ist. Mein Handy, das ein Foto ist, das eine Zeitung ist. Ich lege es weg und kaufe eine Zeitung aus Papier. Die wurde letztens zerknüllt und zum Herumschließen verwendet.

Und als ich schließlich einen Brief geschrieben habe, hat mein Sohn sehr wichtig danach gefragt. Ist mir bei den 1000 Emails davor noch nicht passiert.

Und da nehme ich mir vor, ab und zu uneffektiv zu sein. Mal so richtig die altmodische Sau raus zu lassen und Termine in ein Notizbuch schreiben oder so. Mal die Dinge wieder bisschen anschaulicher machen.

Aber damit meine ich auch, dass ich mal mehr darauf achte, dass ich mal nicht so brennend effektiv bin und alles in einem Gerät bündele und alles gleichzeitig erledige. Denn nachdem ich wirklich gut in der modernen Effektivität bin – während dieses Artikels habe ich im Internet herumgeturnt, nach einer Studie zum digitalen Lesen gesucht, die Fernsehwerbung auf lauflos geschalten und jetzt läuft die Ermittlung von Medical Detectives oder so ähnlich in stumm weiter, meiner Mutter über unseren Familienchat mitgeteilt, dass ich eine eingefrorene Suppe aus ihrem Gefrierschrank rausgenommen habe (ok, geklaut habe) und ja, das ist alles total praktisch. Aber nachdem ich hier wirklich ein Könner bin, auf gehobenem Level – muss ich euch leider mitteilen, dass die Zeit trotzdem nicht mehr geworden ist. Sind immer noch lächerlich kurze 24 Stunden, die so einen Tag ausmachen. Wird nie reichen -deswegen könnt ma mal auch bisserl mehr aufhören, es ständig zu versuchen.

 

 

2 Comments

  • Hana Mond
    25. Oktober 2016 at 09:19

    So sehr ich das Internet und die Möglichkeit, Textnachrichten zu verschicken, genieße (Telefonieren mochte ich nie) … so fremd ist mir unsere Zeit oft. Ich habe ein Smartphone, mit dem ich telefoniere und SMS verschicke (ich hatte kurz mal Whatsapp, funktioniert aber nicht mehr und ich habe ohnehin keinen Internet-Tarif, sondern nur WLAN zu Hause). Und ab und zu (ein, zweimal die Woche) bei Instagram ein Bildchen hochlade.
    Die Smartphone-Junkies sind mir fremd, ich ärgere mich, wenn Freunde bei Gesprächen auf den kleinen Computer schauen, ich verschicke Geburtstagskarten und Einfach-so-Postkarten und schreibe meiner kleinen Nichte, die grad in der Grundschule ist, Briefe.
    Als Sommer-Hasser schätze ich die Klimaanlage im Auto sehr, und wenn ich in fremden Städten unterwegs bin, liebe ich mein Navi. Trotzdem habe ich manchmal das Gefühl, ich bin ein Kind der Achtziger geblieben und nicht so recht hier angekommen … ich mag den Komfort der Technik, aber bei dem Punkt, bei dem ich zufrieden über den kleinen Luxus bin, bleibt sie nicht stehen sondern entwickelt sich weiter, überfordert und befremdet mich. Ich bin ein Mensch, der sich sehr haptisch orientiert, ich mag Dinge zum Anfassen. Lieber die Fahrkarte aus dem Automaten ziehen als aufs Handy laden …
    Ich liebe den Luxus unserer Zeit, aber vieles, vielleicht sogar das meiste, geht mir zu weit. Und es geht immer weiter … mit gerade Anfang 30 fühle ich mich manchmal wie ein Relikt einer anderen Zeit. Seltsam. Und damit gehe ich wieder zu meinem aktuellen Roman, 800 Seiten und morddschwer im Rucksack, aber aus Papier. Wie sollte ich meine wunderschönen Lesezeichen auch in ein Kindle stecken?

    Reply
  • *thea
    25. Oktober 2016 at 09:29

    Genau aus dem Grund habe ich immer noch keinen Ebook Reader. Ich bin gern digital unterwegs mit meinem Smartphone und täglich im Büro am PC. Aber deshalb möchte ich beim Lesen nicht schon wieder auf einen Bildschirm schauen. Auch wenn ich gerade auf Reisen bin, wenn ich dann sehr oft zum Lesen komme, das Gewicht, das ich mit mir rumschleppe verfluche. Auch die Tatsache, dass man „richtige“ Bücher doch eher tauscht und verleiht und sie irgendwie doch eher in einem Kreislauf sind, gefällt mir. Ich glaubes es ist technisch möglich aber kenne keine Kindle-User die sich gegenseitig Bücher verleihen…macht man das dann auch?

    Reply

Leave a Reply