Wieso geht der Mensch so gerne? Nachdem wir Kutschen ohne Pferde erfunden haben, Fahrräder und das Flugzeug. Es wird immer noch gegangen. Das Gehen ist unsere Geschwindigkeit. Erst beim Gehen fällt uns die Welt auf. Da sehen wir die Farben und hören die Geräusche um uns herum.
Meine Kinder gehen so gerne wie alle anderen Kinder: Mal mehr, mal weniger. Sie mosern und lachen – gleichzeitig. Das Beste: immer die Brotzeit und der Blick in eine kleiner werdende Welt.
Ein Schwall an Menschen kommt mit uns mit. Jeder sucht etwas. Ein Platz an der Sonne. Eigentlich grüßt man sich. Manche erwidern, andere nicht. Manche lachen dabei, als ob es eine Kuriosität wäre, einen Fremden zu grüßen.
Die Mountainbiker haben keine Zeit zu grüßen. Die klingeln sich die Wege frei. Manche kommen auch über die Wiesen gefahren und stoppen fast ein bisschen verstimmt an den Stacheldrahtzäunen. Als ob diese Zäune zu ihrem persönlichen Ärgernis angebracht wurden.
Aber wir sind ja auch hier. Wer ist also zu viel? Jeder kann kommen. Der Berg ist ein offenes Haus. Aber so einfach ist es nicht. Ein Bauer odelt am Samstag. Ich muss lachen. Er hat sich das größt mögliche Publikum gesucht. Wanderergruppen verziehen das Gesicht. Die Uhrzeit hat nix mit nem Bauernkalender zu tun. Des macht der wegen uns genau jetzt. Des ist Humor. Des ist Kritik. Weil er a echter Mensch ist und das sein Zuhause. Das ist keine Postkarte. Das ist ein Leben.
Die Leut nehmen tatsächlich ihren Müll nicht mehr mit. Gehen über Weideland kreuz und quer, um den Massen zu entfliehen.
Das ist kein Mythos.
Ich habe euch zugesehen, wie ihr eure Fahrräder und Kinder über Zäune gehoben habt, um über vermeintliches Ödland zu latschen. Um eure beim Brunchen beschlossenen geheimen Wanderrouten zu testen. Mit glühenden Bäckchen, weil ihr so oberschlau seid und nicht mit den Massen auf dem Schotterweg gehen wollt.
Weil da ja dann niemand ist und es niemanden stört.
Aber das ist der Unterschied zwischen Stadt und Land. Und es ist egal, woher man kommt oder wo man lebt, denn man kann den Unterschied sehen. Meine Kinder sind Landeier und ihr Blick auf die Felder ist ein anderer als meiner. Ich sage das mal mit einem Ausschnitt aus einem Gespräch von über zwei Jahre her. Wir fahren im Auto:
Wir fahren an einer großen Wiese vorbei. Eine andere Familie lässt dort Drachen steigen. Ich guck rüber und sage: „Schaut, auf der Wiese ist der Wind wirklich gut. Vielleicht sollten wir da unsere Drachen steigen lassen.“
Mein Sohn schaut kurz von seinem Comicbuch auf und folgt meinem Blick. Der Drache ist weit im Himmel. Die Wiese erstreckt sich bis zum Waldrand. Er ist trotzdem gelangweilt.
„Ja, Mama, da müss mal nur noch rausfinden, wem die Wiese gehört.“
„Warum meinst du das? Da ist doch nix.“
„Doch, es ist immer was. Dann könn ma fragen, ob es stört, wenn wir da Drachen steigen lassen.“
Ich hab lange darüber nachgedacht, warum mein Impuls sehr urban ist und er so einen Landblick hat.
In den Bergen habe ich es dann verstanden und meinen Blick geschult.
Es ist immer was: Ein Weideland, eine Lebensgrundlage – und was ist mit den Tieren? Jene, die wir nicht sehen, weil sie sich vorm Licht und Lärm fürchten und sich verkriechen. Müssen wir alle neue Pfade gehen? Können wir uns die Berge nicht teilen mit jenen Menschen und Tieren, die dort leben? Was ist verkehrt an den Schotterwegen?
Es reicht nicht, seinen Müll wieder mitzunehmen. Man latscht einfach nicht über die Felder anderer Leute. Man latscht auch nicht in einen Wald mit Vögeln, Rehen und Käfern. Und wem die Massen stören, der gehe halt ganz in der Früh. Auf den Schotterwegen hinauf ins persönliche Glück.
Wir sind auf dem Rückweg.
Stacheldraht für die Viecher, es riecht immer nach Regen und Mist.
Es könnte still sein, aber es ist nicht mehr still. Am Straßenrand unten: die Blechlawine. Auto an Auto geparkt mit den wildesten Kennzeichen. Von überallher. Von hier, von wo anders. Zuerst ist das Parken noch geordnet, aber gegen Mittag wird es chaotisch. Als ob es ein Recht auf Parkplätze gäbe.
Es ist Mittag. Wir gehen jetzt heim. Auf den Schotterwegen. Auch schön da.
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