Es gibt Menschen, die werden sich nie gut mit dir verstehen. Und meistens entscheidet sich das bereits im ersten Augenblick. Wie tief eine Beziehung überhaupt jemals werden kann. Obwohl man etwas anderes will, obwohl man vielleicht mehr oder weniger will. Das hört sich jetzt so einfach an. Ist es aber nicht. Weil es Charaktere gibt und halt Charaktere. Manchmal ist es total toll, jemanden zu kennen, der Vanilleeis am liebsten hat, während man selber Schokoladeneis bevorzugt.
Ich weiß, plattes Beispiel. Aber vielleicht ist klar, was ich meine. Es gibt Einstellungen und Charakterzüge, die tun einem nicht weh. Die bereichern und öffnen dir einen neuen Blickwinkel auf die Welt. Auch wenn oder gerade weil man ganz woanders steht.
Aber das meine ich nicht.
Ich meine das Ende der Geschichte.
Dann, wenn man sich verliert.
Die Beziehung beendet.
Das Licht löscht.
Aus die Maus.
Als Kind kann man sich nicht vorstellen, dass es tatsächlich so viele verschiedene Meinungen auf der Welt gibt. Dass man sich nicht aussprechen kann. Dass man sich nicht mehr in den anderen hineinversetzen kann.
Ich bin da ganz schlecht darin. Ich kann es mir nicht vorstellen, dass ich wirklich nix mehr vom anderen verstehe. Ich denke immer, man hat einfach nicht genug geredet. Man muss mehr reden. Mehr zuhören. Mehr erklären.
Ich dachte lange, dass mein erster Freund und ich eine phantastische Freundschaft hätten haben können, wenn wir nicht solche kindischen Idioten gewesen wären. Erst viel später, fast aus heiterem Himmel, hat mich die Erkenntnis getroffen, dass wir echt alles gesagt haben. Zueinander.
Mein erster Freund ist ein Künstler. Nicht der erfolgreichste, aber, wer bin ich, um das heute zu bewerten. Er war schon damals ein Künstler und hat sehr viel gezeichnet. Heute kommt er ab und zu in Zeitungen vor. Ich sehe manchmal Bilder oder Skulpturen von ihm.
Und die Wahrheit ist, dass ich sie nicht besonders mag.
Das klingt jetzt so bitter im Abgang. So, als ob ich die verlassene Ex-Freundin wäre und aus Trotz jetzt alles von ihm Scheiße finden würde. Aber das stimmt so nicht. Ich mochte es noch nie. Ja, und da ist es. Der erste laue Anflug, meine persönliche Verlogenheit und der Grund, warum wir wohl echt alles gesagt haben und nie eine phantastische Freundschaft hätten haben können. Ich habe nur kurz gezögert, beugte mich als Teenager über seine ersten Werke, die er mir rotbackig und stolz präsentierte und er sah, dass ich es sah und das war nur ein Augenblick. Aber er wußte wohl ganz genau, dass ich es nicht mochte. Sand im Getriebe, daraus wurde nichts.
Diese ehrlichen Augenblicke, die man machmal übertüncht. Die erste Reaktion auf jemanden, auf etwas. Dann, wenn man total ehrlich ist. Weil man es im ersten Moment gar nicht übertünchen kann.
Wie schön wäre es, wenn man immer so leben könnte.
Jetzt ist es natürlich ein fast vermodertes altes Beispiel aus meiner Vergangenheit, dass ich hier heranziehe, dass nicht ganz passt. Schließlich hätte er sich entwickeln können, die ersten Versuche in der Kunst hätten ja was ganz anderes sein können. Man muss den Leuten ja auch eine Chance geben. Irgendwo habe ich einen Schuhkarton mit Briefen und Fotos von ihm. Alle 300 Jahre gucke ich sie mir durch und ich lächle dabei. Es war eine schöne Zeit, ich war wer ganz anderes. Ein langhaariges Mädchen, dass Cordjacken trug und nackt im Regen tanzte.
Immer, wenn ich nach München fahre, dann kommen wir von der Autobahn an einer Gaststätte vorbei. Ein Grieche, der wahrscheinlich die nächste Apokalypse überleben wird. Dort haben wir am Ende unsere Sachen ausgetauscht. Ich habe ewig gebraucht, um auswählen, was ich anziehe. Und heute muss ich sagen, es war echt unvorteilhaft. Den Griechen gibt es immer noch. Wie eine alte Frau sitze ich am Beifahrersitz und deute dann aus dem Fenster. „Sieh mal, dass Lokal gibt es immer noch. Dort haben…“ und mein Mann lacht schon und sagt, dass ich das immer sage. Das kann sein. Sage ich das echt immer, wenn wir dran vorbei fahren? Dabei habe ich es im nächsten Moment schon wieder vergessen.
Es gibt Menschen, die sich nie gut mit dir verstehen. Mit den meisten ist es schon von Anfang an klar, dass es nur eine kurze Zeit sein wird. Die kurzen Augenblicke, wo man merkt, dass etwas wirklich Wichtiges nicht verstanden wird. Wie ich meines ersten Freundes Kunst nicht verstanden habe. Das passiert heute fast sanft mit den neuen Gesichtern. Aber was ist mit den anderen? Mit denen, bei denen du erst Jahre später merkst, dass hier Hopfen und Malz verloren ist. Was sind das für Augenblicke, wenn du das erste Mal beschließt die Klappe zu halten, weil es nicht mehr vermittelbar ist. Weil du reden könntest, was du willst. Dein Gegenüber kommt nicht mit mehr Erkenntnis, sondern höchstens mit mehr Verletzungen raus. Ja, das habe ich erst gelernt, da war ich schon erwachsen und ich lerne es noch. Manchmal gibt es Menschen, die werden sich nie gut mit dir verstehen. Manchmal muss man das auch einfach akzeptieren.
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2 Comments
uli
18. März 2017 at 12:46Hach du kannst so schön schreiben. Bei meinem ersten Freund war es ähnlich – nicht Künstler sondern Skater – ich hab da nicht viel damit anfangen können, auch er merkte es. Nach der – wirklich üblen – Trennung haben wir uns auch noch gegensätzlicher verändert als wir eh schon waren. Heute nach fast 20 Jahren verstehen wir uns super und können auch über unsere gemeinsame Zeit lachen. Wir sind zwar nach wie vor total verschieden, sind aber beide darüber weg gekommen und haben als Liebespaar definitiv abgeschlossen. Er zählt zwar nicht zu meinem engsten Freundeskreis, aber das Label „Kollege“ darf er führen 🙂
Fee ist mein Name
30. März 2017 at 12:00Da ist ein toller Text. Und du hast so Recht mit dem, was du sagst. Auch ich habe diese Erfahrungen machen müssen. Das schlimme ist: Die anderen Menschen zu finden, das wird nicht leichter …