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Unverbindliche Zeiten: eine Liebesgeschichte.

Liebe Die Geschichte meiner Liebe ist vielen Menschen passiert, so alltäglich und vertraut ist sie erzählt. Fast banal.

Eines Tages treffen sich zwei Studenten in einer Gruppe von Studenten. Sie gehen ein Bier trinken und feiern oft und viel, zuerst alle zusammen, irgendwann treffen sich die beiden in einem Café. Auf einer Party küssen sie sich. Zwei Jahre später sind sie verheiratet.

Natürlich gab es eine Krise. Mir ging es nicht gut. Ich habe einen schlechten Mann getroffen und war verletzt. Also sind wir als Freunde ein Bier trinken gegangen. Das macht man so mit Mitte Zwanzig. Fassten mich die anderen mit Samthandschuhen an und machten mit ihrem Verständnis für die Situation nur alles schlimmer, tranken wir einfach ein Bier. Er hatte drei Stunden lang über sein Hobby geredet, normalerweise spricht er nicht so viel. Zu Hause habe ich gemerkt, dass er damit den Fluss des Lebens herbeigeredet hatte. Es geht halt einfach weiter.

Es dauerte also nicht lange, da war ich verschossen.

Meine Freundinnen glaubten, er wäre in jemand anderen verliebt und rieten mir ab, mich jetzt da so hineinzusteigern. Ich steigerte mich auch nicht hinein. Ich war halt ein wenig verschossen. Aber ich dachte auch an alle die anderen, die mir noch begegnen konnten.

Und da ist der Punkt, wo alles passieren kann. Wo in Liebesgeschichten alle Wege offen sind. Ein anderes Mädchen, ein bisschen Liebe, eine unverbindliche Zeit. Parties, viele Bekannte, ständig neue Gesichter.

Es hat auch was mit Glück zu tun. Ganz einfaches Glück. Nicht, dass man sich trifft und sich küsst, sondern auch Glück, dass man sich einlässt.

Bei unserem Cafébesuch hat er etwas gesagt, dass mich beeindruckt hat. Er sagte: keine anderen Männer. Gut, dass mag jetzt für den einen oder anderen nicht so beeindruckend sein, aber ich hatte einen etwas draufgängerischen Ruf damals. Studentenzeiten und so. Keine konventionellen Beziehungsmuster, keine Einschränkung, sexuelle Freiheit und so. Ich habe keine Ahnung, ob er schon wußte, wie sehr ich mich an der sexuellen Freiheit bereits verbrannt hatte, aber der Ruf eines kleinen Hippies hatte ich wohl. Obwohl ich aufgrund der ganzen Brandwunden schon gar keine Lust mehr hatte auf die große sexuelle Freiheit, habe ich mein Image durchaus noch gepflegt. Ein bisschen Show muss sein. Drama, Baby. Und da sagt der da einfach über den Kaffee hinweg: keine anderen Männer. Und nach einem kurzen Husten folgte. Oder Frauen.

Da saß ich also mit Mitte Zwanzig und dachte bei mir, ob der es ernst meint. Mir eine so lächerlich bürgerliche und längst überholte Bedingung zu stellen. Also ob ich hier alles nehmen würd, was nicht bei drei auf den Bäumen hockt. Oder mich von nem Kerl irgendwie einschränken lassen würde. Gerade als ich ansetzen wollte, das große Konzept der Treue und Eifersucht zu erläutern, habe ich genickt. So tief schien meine Rebellion gegen etablierte Lebensformen nicht gewesen zu sein. Gut, ich wollte ihn auch unbedingt.

Wie leicht das alles war damals. Schlägt man ein, schlägt man aus, wartet man ab, zieht man von dannen. Hat man Glück, hat man Pech. Küsst man diesen oder jenen. Verliebt man sich oder nicht. Verpasst man sich. Oder nicht. Ständig ist irgendwer in irgendwen verliebt gewesen, ständig kamen Leute zusammen.

Heute beobachte ich mehr Trennungen als Anfänge. Beziehungen werden bei Gott nicht mehr in Wochen oder Monaten ausgedrückt. Menschen haben echte Geschichten. Kinder von anderen, Häuser, Verpflichtungen. Dabei fanden wir schon damals, wir wären voller Ballast.

Wenn mir damals mal die Dimension eines Kopfnickens klar gewesen wäre. Wie ich da reinstürmen und mich beglückwünschen würde. Wahrscheinlich wären ich und sie uns nur noch über die Art einig, wie man seinen Kaffee am besten trinkt. Und dass wir diesen Mann scharf finden. Ansonsten würden wir uns angiften. ich würde ihr sagen, dass es mal an der Zeit wäre, über so was wie einen Beruf nachzudenken und sie würde sagen, dass sie sehr wohl in der Lage wäre, sich selbst zu versorgen. Dann hätten wir eine Debatte über verstopfte Wasserabflüsse mit Essensreste und über Aschenbechern neben Betten. Schließen würde sie mit einer wilden Rede über die Vergänglichkeit des Lebens.

Dabei war das alles wie auf Federn gebettet. Zwei Studenten küssen sich auf einer Party, am nächsten Tag treffen sie sich mit einem leichtem Kater beim Kaffee. Noch kann man in Cafés rauchen. Sie lachen ein bisschen über den verrückten Abend gestern und zwei Jahre später sind sie verheiratet.

Und sind es seither.

Du stellt meine Füße auf weiten Raum. 

 

 

5 Comments

  • Larissa//No Robots Magazine
    19. Mai 2016 at 11:35

    <3 <3 <3 <3 <3 <3 <3 <3 <3 <3 <3 <3 (Mehr kann ich dazu nicht sagen!)

    Reply
  • uli
    19. Mai 2016 at 13:10

    So banal, so wie bei vielen anderen auch und doch so schön geschrieben, dass es diese „normale“ Geschichte zu etwas besonderen macht.

    Glg

    Reply
  • *thea
    19. Mai 2016 at 15:33

    der besondere Moment, wenn bei beiden Beteiligten gleichzeitig das Zeitfenster für etwas besonderes offen ist … schön!

    Reply
  • Roxy
    19. Mai 2016 at 16:59

    Jetzt bin ich auch verliebt – in diesen Text 🙂 Schön, dass du uns das einmalige und so zufällige Glück nochmal in Erinnerung rufst.

    Reply
  • carmen
    19. Mai 2016 at 17:00

    Das ist eine wunderbare Geschichte! Danke fürs Teilen

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