Nehmen wir an, ihr habt Kinder. Kleine Kinder. Kinder mit Faschingskostümen. Dann kennt ihr den Wahlspruch der jungen Mädchen dieser Tage. Ihr kennt den meterlangen blauen Tüll, der verarbeitet wurde. Ihr kennt die Laute, die sie machen und dann kommt – Zischzisch– irgendwas aus ihren Fingerspitzen. Mädchen haben einen eigenen Spiderman,Batman und Jedi-Ritter dieser Tage. Ob sie nun den Film gesehen haben oder nicht, es ist eine mächtige Königin, es ist die Eisprinzessin herself:
Elsa
Disney hat 2013 einen neuen Film rausgebracht: Frozen oder zu deutsch Die Eiskönigin – völlig unverfroren
The perfect girl is gone.
(Zitat aus dem Titelsong: let it go)
Natürlich ist das ein Disney-Film – voller Stereotypen und einfachen Erklärungen. Wer denkt, dass sich hier ein feministisches Manifest verbirgt, der wird enttäuscht sein. Aber es hat eine erstaunliche Wirkung auf Kinder – selbst meine kennen die Eisprinzessin. (Ganz ehrlich habe ich ihnen den Film gezeigt, nachdem mir klar wurde, dass die 5jährigen Mädels im Kindergarten ihnen entweder die Rolle von Kristof oder von einem Schneemonster geben. Ich wollte irgendwie, dass sie wenigstens einen Ansatz von Plan haben, warum das ganze Zimmer jetzt Elsa-Land heißt)
Dabei ist dieser Film allgegenwärtig. Selbst Kinder, die ihn nicht gesehen haben, kennen lose Wörter, Bezugspunkte – es ist einfach eine sehr sehr mächtige Königin, die Eisblitze machen kann. Ich bin mir sicher, keiner dieser kleinen Spidermänner hat ernsthaft eine Verfilmung desselben gesehen. Das ist halt ein Superheld. Das reicht doch wohl. Für viele Elsas reicht das auch. Aber dennoch, ein Blick auf den Film lohnt sich.
Elsa und ihre Schwester Anna verkörpern zwei Seiten der klassischen Disney-Prinzessin: Humorvoll, verliebt, dünn, weiß und schön. Aber es gibt eben zwei. Während Anna, die Hauptfigur, sehr wohl noch klassisch ist und zur Identifizierung gut herhalten kann, ist Elsa eine Neuschöpfung. Sie wählt die Einsamkeit, hat keinen Bock auf Prinzessinnen-verpflichtung, kreiert einen Eispalast und SCHNEEMONSTER!, hat magische Fähigkeiten und ist eben gefährlich.
Ich sehe kaum Annas in den Kindergärten, auch wenn Anna am Schluss die wahre Liebe in Form von Kristoff findet. Es ist die gefährliche Elsa, die die Mädchenherzen höher schlagen lassen. Scheiß auf die Liebe, wenn du einen Eispalast erschaffen kannst.
Prinz Charming
Ganz zu Beginn des Filmes wird ein Ball gefeiert. Elsas Krönungsball. Ihre Schwester Anna verliebt sich Hals über Kopf in Hans, einen Prinzen aus einem anderen Königreich. Alle Prinzen-Stereotypen werden erfüllt: Hans ist schön, zuvorkommend und fragt sie, ob sie ihn heiraten will.
Elsa ist dagegen. Sie sagt, man heiratet niemanden, den man nicht kennt.
Wow – seit wann das denn nicht? Arielle und ihr Prinz haben geheiratet, nachdem sie zwei Wörter an ihn richten konnte.
Elsa wird wütend, ihre Kräfte kommen zum Vorschein und sie flieht.
Anna will sie zurückholen und beauftragt Hans mit der Verwaltung des Königreiches. Hans kümmert sich um Decken, Hans ist ein phantastischer Prinz.
Elsa verletzt Anna mit ihren Kräften so sehr, dass nur ein Akt wahrer Liebe ihr noch das Leben retten kann. Annas neuer Gefährte – Kristof – versucht, sie zu Hans zu bringen. Doch Hans zeigt jetzt – fast am Ende – sein wahres Gesicht: Er liebt Anna gar nicht, er läßt sie zurück zum Sterben – er wollte nur ihr Königreich.
Wow, wow, wow – muss ich jetzt etwa bei Disney-Filmen tatsächlich aufpassen, wer der Böse ist? Und wird hier tatsächlich ein perfekter Prinz präsentiert, die sich 3/4 des Filmes auch so verhält und dann erst ganz zum Schluss sein wahres Wesen offenbart? und er sieht immer noch genauso hübsch aus – ich meine, er wurde gar nicht verzaubert und ist in Wirklichkeit hässlich. Er bleibt ein hübscher Junge und die Lösung des Problems ist gar nicht der Schneewittchen-Kuss? Der Dornröschen-Kuss? Überhaupt, warum muss denn hier niemand geküsst werden für sein Seelenheil? Nein, Kissing for saving is over.
Anna stirbt danach schon ein bisschen. In einem fast schon symbolischen Sturm rettet sie aber Elsa anstatt sich selbst – und das war der Akt der Liebe, der ihr Herz letztendlich rettete und sie heilte. Oder aber es ist Elsa, die über ihre Schwester weinte und so den Fluch brach. Schließlich hat sie dadurch erkannt, dass sie ihr Kräfte im Griff hat – durch die Liebe nämlich.
Ok, nochmal…sie muss niemanden küssen, um gerettet zu werden? Sie kann das ganz selber? Und es hat kein Mann etwas damit zu tun? Es geht um die schwesterliche Liebe zwischen den beiden? Krass.
Neben den üblichen Stereotypen von dünner Schönheit und wahrer Liebe, die Disney normalerweise bringt, haben wir hier noch dazu
– eine weibliche Superheldin, die nicht durch einen Mann wieder auf Kurs gebracht wird
– einen Prinz Charming, der nicht so gut ist wie er aussieht.
– eine Definition von wahrer Liebe, die nichts mit einem Kuss zwischen Mann und Frau zu tun hat
Ja, das ist tief gestapelt. Ich weiß, es hätte noch mehr, noch besser sein können, aber wir sind seit Cinderella einen weiten Weg gegangen. Und all die Elsas aus Elsaland werden ihn weitergehen.
5 Comments
Tanja
3. Februar 2016 at 23:09Volle Zustimmung! Und außerdem: Seit Elsa tragen Mädels endlich nicht mehr ausschließlich rosa in allen Schattierungen, sondern ziemlich häufig blau… 🙂
Larissa//No Robots Magazine
4. Februar 2016 at 10:56Interessant ist ja auch, dass es die EisKÖNIGIN und nicht die EisPRINZESSIN ist. Sonst sind es ja eher pubertierende Mädchen, die noch einen Papa im Rücken haben. Und wenn sie dann ihren Prinzen heiraten, sind sie am Ende eben auch nur die Frauen des Königs und nicht die Regentin.
„Merida“ ging ja auch schon in die Richtung. Die hat ja auch dafür gekämpft, dass sie nicht heiraten muss.
Herr S.
4. Februar 2016 at 12:11Mein kleines Mädchen ist auch eine 100%-Elsa. Aber mein absoluter Held im Film ist Olaf!!!
Der Film hat tatsächlich einiges mehr zu bieten, wenn man ein wenig unter der Oberfläche kratzt. Vielleicht fällt es auch nur auf, wenn man den Film bereits über fünf Mal gesehen hat 😉
Roxy
4. Februar 2016 at 13:55Ich hab ihn auch gesehen 😉 Ich finde das sind, für Disney-Verhältnisse, schon mal ganz ordentliche „Neuerungen“. Man darf ja auch nicht zu viel erwarten.
Schön fand ich vor allem, dass ausnahmsweise mal nicht eine Frau/Prinzessin/armes-aber-wunderschönes-und-pflichtbewusstes-Mädchen von einem Mann/Prinzen/armen-aber-wunderschönen-und-pflichtbewussten-Jungen errettet werden musste. Auch mal ganz angenehm.
Pippi, Tommy und AnnikaFadenvogel | Fadenvogel
9. Juli 2016 at 11:16[…] Wie jede Elterngeneration vor mir versuche ich, die Helden meiner Kindheit hochzuhalten und blicke mit höchster Skepsis auf die Horde Eisprinzessinnen und die […]