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Der Samowar und meine Oma

Samstagskaffee Samowar_2Meine Oma war eine sehr deutsche Frau. Sie konnte Kartoffelbrei schwefeln, Gänse braten, mochte Butter und trank ihren Kaffee mit Sahne. Sie hatte ihre ganz eigene Meinung zu Menschen, die Kinder ohne Trauschein bekamen, rümpfte manchmal die Nase, traute der Mikrowelle nie und wusch bis zu ihrem letzen Tag ihre Spühllappen in der Kochwäsche aus.

Meine Oma wurde aber nicht in Deutschland geboren, sie kam von der Krim. Manchmal merkte man das. Wenn sie Wassermelone aufschnitt und von den riesigen Wassermelonen auf ihrem Bauernhof erzählte. Wenn sie als Kind ihrer Zeit immer lieber auf russischen Kaffeefahrtschiffen Urlaub machte, weil sie denen mehr vertraute. Dabei kamen durch Sätze, die sie so fallen lies, von Zeit zu Zeit völlig schiefe Bilder raus, weil Menschen, die den 2. Weltkrieg als Heranwachsende mitgemacht haben, immer (meistens eher?) ein negatives Russland-Bild haben. Das hat meine Oma völlig ausgelassen und neigte zu Glorifizierungen. Ich hätte gerne gewußt, was sie zu dem jetzigen Krieg auf der Krim gesagt hätte. Ob sie es furchtbar gefunden hätte und nun die Ukraine verteidigt hätte oder ob sie ihr Russland in Putin noch gesehen hätte. Ich weiß es nicht.

Meine Oma ist noch als Kind von der Krim geflohen, sie hat als Deutschstämmige ihre Leben dann nach vielen Wirrungen in Deutschland verbracht.

Das meiste Leben, sozusagen.

Weder meine Mutter noch ich haben von ihr russisch gelernt. Das war in den 50er Jahren so nicht üblich. Auch sie selbst beherrschte es am Ende kaum noch. Man hörte nie einen Akzent. Dennoch blieb in unserer Familie ein russisches Element übrig: der Samowar.

Ein Samowar wurde von meiner Mutter immer in Betrieb genommen, wenn wir Gäste empfangen haben. Sie hatte kleine silberne Teetassen dazu und schon als Kind prägte sich in mir das Bild einer Feier ein. Wie bei ihrer Mutter schon. Die Formel ist einfach: Wer Gäste empfängt, der braucht einen Samowar.

Als ich als Teenager das Nebenjobben angefangen habe, bildete ich mir sofort einen eigenen Samowar ein. Ich konnte mir zwar noch lange keine Wohnung leisten, aber irgendwie dachte ich, ein Samowar wäre mal ein guter Anfang für das Ziel des Ausziehens. Dann brauch ich das schon mal nicht mehr kaufen. Ich habe also in einem Teeladen meinen Samowar gekauft und nach Hause geschleppt.

Den habe ich immer noch. Zu Feierlichkeiten wie Geburtstagsbrunchen oder Weihnachtskuchenrunden stelle ich jetzt auch immer meinen Samowar auf und er brodelt zufrieden vor sich hin bis die letzten Gäste gegangen sind. Manchmal stelle ich ihn aber auch morgens ganz für mich alleine an und trinke viel zu viel schwarzen Tee den ganzen Tag über.

Wie heute. Mein Samstagskaffee ist also heute der schwarze Tee und meine türkische Teetasse dazu stelle ich zu den anderen bei ninjasieben.

9 Comments

  • Regula
    2. August 2014 at 15:08

    Das tönt spannend. Danke für dein Einblick in deine Familiengeschichte. Liebe Grüsse von Regula

    Reply
  • Ninja von Ninjassieben
    2. August 2014 at 15:41

    danke für den Einblick… und schön, dass du dich zu uns gesellst.
    liebst ninja

    Reply
    • fadenvogel
      2. August 2014 at 16:29

      Hallo Ninja,
      ich finde diese Idee mit dem Samstagskaffee auch irgendwie echt gut. Ich bin gerne mit dabei.

      und ich heiße jetzt Besen….

      Reply
  • Larissa//No Robots Magazine
    2. August 2014 at 17:13

    Ich weiß zwar nicht so genau, was ein Samowar ist, aber ich finde es toll, wenn man solche Dinge von seinen Omas „erbt“. 🙂 Ich höre meiner auch sehr gerne zu, wenn sie von früher erzählt. Allerdings ist die gute Dame jetzt bald 94 und die Geschichten fangen an, etwas wirr zu werden …

    Reply
  • Leezenland
    2. August 2014 at 17:15

    Einen Samowar verbinde ich immer direkt mit Geselligkeit und Gemütlichkeit, auch wenn er bei uns in der Familie gar nicht üblich ist. Schön, deine Geschichte zu lesen!
    Viele Grüße
    Gesa

    Reply
  • Jutta von siebenVORsieben
    2. August 2014 at 17:39

    Eine schöne Geschichte. Hat richtig Spaß gemacht etwas über deine Familie zu lesen (und wer erkennt da bei dem einen oder anderen nicht die eigene Oma?)
    Ich habe keine russiche Vorfahren, aber ich finde Samowars trotzdem wunderschön. Schon lange möchte ich einen und stadn auch schon mal kurz vorm Kauf.
    Iich finden euren Brauch mirt dem Samowar daher richtig toll!
    Schöne Güße
    Jutta

    Reply
    • fadenvogel
      2. August 2014 at 23:26

      Auch für einen alleine ist so ein Samowar schon was Tolles. Ich bin jetzt zwar wegen all dem schwarzen Tee hellwach, aber es lohnt sich, einen anzuschaffen. Ich bin dafür, dass du es doch machst….

      Reply
  • Kuhmagda
    2. August 2014 at 19:12

    Du hast das wunderbar beschrieben. Und ich mag solche Geschichten immer sehr. Was unsere Vorfahren wohl alles sonst noch erlebt haben? Und wie denken sie heute über gewisse Weltereignisse? Das wäre sehr spannend.

    Danke für deinen Bericht. Und viel freude bei deinen weiteren Teezermonien.

    Herzlich
    Kuhmagda

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  • Kerstin
    2. August 2014 at 22:40

    Das war jetzt aber interessant zu lesen!
    Und so ein Samowar macht echt was her, der hat sowas edles und feierliches…
    Ganz liebe Grüße,
    Kerstin

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