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Das Ende der Veganerin

Das Ende der VeganerinVegan ist das, was Vegetarisch war als ich in die 5. Klasse ging.

Ich war auf einer Mädchenschule und wir hatten Mittagessen in der Mensa der katholischen Hochschule. Wir hatten als Zögling einen separaten Raum mit einem Wandteppich, auf dem das Letzte Abendmal abgebildet war.

Vor dem Essen schüttelten wir alle die Hand von Sr. Lioba und erzählten ihr unsere Noten von diesem Tag. Sie sagte irgendetwas dazu und lächelte. Danach beteten wir zum Wandteppich hin. Wir waren bestimmt 30 Mädchen. Vielleicht auch bisschen mehr, ich weiß es nicht.

Eines Tages stand meine beste Freundin auf und verkündete, sie sei Vegetarierin und könne das nicht essen. Es wurde viel Zinnober gemacht und schließlich gab es eine Abstimmung, ob sie eine anderes Essen bekam als alle anderen. Die Abstimmung war geheim, das heißt, wir mussten alle unsere Augen schließen und hoben die Hand oder nicht.

Sie war meine beste Freundin damals, ich hätte ihr absolut loyal sein müssen, aber ich war es nicht. Ich hob nicht meine Hand für sie. Ich fand die Extrawurst damals entsetzlich, ich fand den Zinnober darum entsetzlich. Außerdem wollte ich Sr. Lioba beweisen, dass ich sehr wohl dagegen sein konnte. Sr. Lioba hielt mich damals für meiner besten Freundin Accessoire. Alle hielten mich ein bisschen für ihr Accessoire.

Na ja, sie bekam dennoch ihr vegetarisches Menü. Auch ohne mein rebellisches Abstimmverhalten hat sie die Spinatknödel mit Rahmsoße bekommen. Wir anderen aßen weiter unsern Rahmbraten dazu, außer Freitags, da aßen wir alle das gleiche. In katholischen Mensen wird da schon immer vegetarisch gegessen, vegetarisch oder Fisch. Backfisch.

Heute gibt es dort bestimmt regulär ein vegetarisches Menü. Selbst in der letzten Dorfkneipe kriegt man Spinatknödel heutzutage.

Die Veganer sind jetzt die, die das erst durchsetzten müssen. Seit diesem Wochenende ohne mich.

Ich saß vor einem Stück Käse am Freitag und habe es einfach gegessen. Dabei ist Käse jetzt nicht das, was ich vermisst habe. Ich habe die Unkompliziertheit vermisst, die Gedankenlosigkeit, den Mainstream, schwimm mit dem Strom, is leichter.

Welch eine Schande, mögen da einige aufschreien. Ein Teil von mir schreit mit. Ach, wieder so widersprüchlich mit dir. Du bist einfach inkonsequent.

Zurück zu was? Allesesser? Kann ich mir grad gar nicht vorstellen. Ich bin jetzt wohl Vegetarierin. Ich bin immer noch wie das Mädchen aus der 5. Klasse, die ihre Hand nicht hebt für ihre allerbeste Vegetarier-freundin, weil sie findet, man macht einfach keine große Sache aus seiner Sache. Stör die Gruppe nicht, brauche ja keine Extrawurst.

286 Tage vegan mit Widersprüchen. Resümee

5 kg abgenommen, allerdings zu Beginn der Umstellung. Danach hielt ich das Gewicht, ob ich jetzt Reismilchschokolade abends futtere oder einen Greeeeeen Smoothie zu mir genommen habe. Wahrscheinlich hast die Mischung gemacht

Eier – Eier sind echt fundamental. Überall ist entweder ein ei draufgeschmiert worden, damit es glänzt oder es sind Eier drin. Nicht die hübschen Bio-eier, sondern die aus den Betonfarmen, die direkt zu den Nudelherstellern wandern. In allen Kuchen, allen Knödeln. Ich denke, auf nichts außer Eier zu verzichten reduziert den Speiseplan genauso wie Frutarier zu sein.

Fertigprodukte – das ist ein echter Nachteil. Man ist ständig mit Ersatz beschäftigt, dass in Plastik eingeschweißt von Fooddesignern entwickelt wurde.

Erklärungen – tell the world. Als Veganer muss man ständig jedem erklären, dass man irgendwas nicht isst. Keine Ahnung, ob das in den 90ern bei Vegetariern auch so war, aber es ist irgendwie immer ein Thema. Man kann nicht normal vegan sein. Außer beim Asiaten. Aber da gab es auch einen Vorteil: Man musste nie irgendwas bei Einladungen essen, wenn man das eh nicht gerne gegessen hat. Keinen Butterkuchen aus Höflichkeit. Sehr praktisch.

Und jetzt?

Jetzt hab ich halt keine Lust mehr. Das Experiment beendet. Ab zu den Vegetariern. Ich erstelle mal auf meinem Blog unter Körnerfresser ne neue Kategorie. 

Inkonsequent? Verständlich? Mal ne Zeit sich so ernährt und dann wieder anders? Bin über Feedback dankbar.

4 Comments

  • Larissa//No Robots Magazine
    1. September 2014 at 08:16

    Ich bin ja jetzt schon seit ein paar Jahren aus moralischen Gründen Vegetarierin – und das ist auch nicht wirklich konsequent. Eigentlich sollte ich vegan leben. Und, schlimmer noch, ich esse sogar gelegentlich Fisch. Aber was soll man machen? Käse ist das einzige Nahrungsmittel, das ich mag. Und Fisch ist einfach gesund. Ich finde, das Wichtigste ist, dass man versucht, die Welt etwas besser zu machen. Perfekt schafft kein zivilisierter Mensch.

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  • Ela
    1. September 2014 at 21:34

    Ich glaube, man muss manchmal Extreme leben, um dann den Mittelweg für sich finden zu können.
    Jetzt hast du ne zeitlang (Respekt! Ziemlich lang 😉 ) sortiert und dich durchgewühlt, und viele neue, leckere Dinge kennengelernt, die du sonst vielleicht nie probiert hättest – und kannst jetzt wieder das dazu essen, was dir schmeckt und gut tut.
    Solche Phasen, egal in welchem Lebensbereich, sind unheimlich wertvoll!
    Einmal die Zeit anhalten, überdenken was bisher war, schauen ob das bisherige noch passt und dann mit weniger (oder mehr) weiter machen… ich denke, dass dich viele für so radikale Schritte beneiden, weil sich die meisten nicht trauen was Neues zu probieren. *knuddel*

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  • Barbara
    24. Oktober 2014 at 10:37

    Ich war auch auf einer katholischen Mädchenschule mit angeschlossenem Internat und wenn man wollte Mittagsbetreuung inklusive Essen. Ich war zum Essen zuhause, aber meine beste Freundin war ein Mittagskind. Freitag gab’s immer Fisch. Krasser Flashback grade 🙂
    Ich finde es macht total viel Sinn Fleisch und Fisch und generell tierische Produkte mit sehr viel Respekt zu konsumieren. Ich mag nicht gerne so radikale Sachen, deswegen versuch ich einfach wenn dann möglichst von einigermaßen glücklichen Tieren und insgesamt einfach weniger und vielleicht sogar auch öfters mal vegan oder halt so vegan wie möglich (also das ist gerade mein Vorsatz).
    Ich versteh aber absolut, dass dir das zu viel war immer überall an Grenzen zu stoßen. Ich hab mal versucht eine Nahrungsmittelunverträglichkeit auszuschließen, wenn man sich über sowas intuitives wie Essen so viele Gedanken machen muss, das schränkt sehr die Lebensqualität ein, find ich.

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    • fadenvogel
      24. Oktober 2014 at 13:31

      Danke für deinen Kommentar. Ich muss sagen, dass ich jetzt meine vegane Zeit schon echt in Sepia-Farben sehe, sprich: es kommt mir irre lange her vor, dabei war es der Hauptteil dieses Jahr. Vegetarisch als Herausforderung reicht mir grad völlig…is auch nicht immer gedankenfrei….

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