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Das erste Mal mit Kindern als Rollenspieler (Larp)

Letztes Wochenende waren wir weg. Und mit weg, meine ich richtig weg. Wir waren in den Zwischenwelten, den Fantasietürmen, auf mittelalterlichen Geisterwegen.

Wir waren das erste Mal mit Kindern bei den Rollenspielern.

Rollenspiel oder Larp (also Live action role play) ist ein weit verbreitetes Hobby und findet doch im Verborgenen statt. Viele kennen noch Mittelaltermärkte oder große touristische Schauspiele, aber das Ganze gibt es auch ganz ohne Zuschauer – nur für die Menschen, die das gerne machen.

Die mieten sich dann große Zeltplätze, bauen Lagerbefestigungen, Tempeln und Badehäuser. Ein Meer aus weißen Zelten, ganz ohne Plastik-Trakking-Wurfhügel. Wirkliche Jurten.

Organisiert in Vereinen, denken sie sich ganze Länder, Religionen und Traditionen aus. Namen, Geschichten und Ständesysteme.

Es gibt Orks, Zwerge, Elben und Menschen. Es gibt Adelige Damen und Bauern, Ritter und Schildmaide.

Mein Mann spielt seitdem er ein Teenager war. Aus dem Hobby haben sich lebenslange Freundschaften für ihn entwickelt, aber mit den Jahren wurde es schwieriger, die Zeit zu investieren. Larp ist eine aufwendige Beschäftigung. Die Arbeit kam, die Kinder kamen. Die alte Form, wie er es betrieb, passte nicht mehr in sein Leben. Ich selbst war vor 10 Jahren schon dabei, aber es war schwer für mich, in einer Gruppe von alten Männerfreundschaften einen Platz einzufordern.

Diesmal war es leicht. Die Zeiten haben sich geändert, die Leben haben sich geändert. Und ich und die Kinder konnten mit im Lager ihre Rolle finden und es war für sie eine Explosion.

Zu Beginn mussten wir uns eine eigene Geschichte ausdenken. Die Kinder haben sich Namen überlegt. Hin und her. Sie hatten eine eigene Kleidung und versteckten sich erst hinter uns. Aber der Bann war schnell gebrochen und sie liefen 3 Tage lang zwischen den Rittern, Edelleuten und Soldaten hindurch, entdeckten das Bogenschießen für sich, forderten die anderen Kindern in den anderen Lagern zu Schwertkämpfen in den Gassen heraus und schliefen abends so schnell ein, dass man sie kaum umziehen konnten.

Kinder sind halt keine Hauskatzen, die sich den ganzen Tag auf das Sofa legen sollten. Sie sind Huskys, die viel Auslauf, Sonne und Bewegung brauchten. Sie husteten bei der kalten Luftfeuchtigkeit in den Stoffzelten nicht ein Mal und lernten den Luxus einer heißen Dusche am Morgen kennen.

Und sie haben ihr persönliches Ziel erreicht: einen Ork sehen. Und sie haben einen Ork gefunden und blieben mit offenen Mündern vor ihr stehen. Sie hatte auch ein Kind dabei und war wohl – nach ihrer Aussage – ein sehr netter Ork.

Das Treffen hieß *die Turney der Südlande* und ist eine große Veranstaltung mit 400 Teilnehmern oder mehr oder weniger. Es finden viele Wettkämpfe statt. Man versucht, eine rohes Ei so zu verpacken, dass es nicht zerplatzt, wenn man es vom Turm fallen läßt. Einer hat es mit Magie versucht. Seine Magie hat wohl nicht gereicht und meine Kinder lachten laut auf. Die anderen haben ein Nest mit einem Fallschirm gebaut. Das war eher von Erfolg gekrönt.

Alle Adligen haben einen Kampf ausgetragen untereinander. Das Gestampfe. Aber es gab einen Eklat zu Beginn. Ein Schreiber mit Schweigegelübde wurde wohl missverstanden und verletzt. Keine Ahnung, ob er es überlebt hat und der Kampf wurde nicht gewertet. Meine Kinder himmelten eh nur Lilly an, die ihnen auch erlaubt hatte, ein paar ihrer Waffen auszuborgen und als sie von einem großen Kämpfer halb niedergerungen wurde, schrieen sie auf und ich musste ihnen ins Ohr flüstern, dass dies ein Spiel war. Weiß ich, Mama. Kam ein wenig säuerlich zurück und dann ging das Gejubel wieder los.

Turney der Südlande

Unser Lager hatte einen Feuerknecht und eine Köchin, die schon ganz früh am Morgen einen Kaffee gekocht hatte und Brot und alles weitere auf einen Tisch legte. Sie wurden gänzlich verdorben mit der Erkenntnis, dass es Schokolade gab, die man sich aufs Brot schmieren konnte.

Lagerleben Turney der Südlande

Ihr seht, es war ein Fest. Ich konnte es kaum fassen, wie frei sie sich bewegten und ich musste mehrmals schlucken, denn ich hatte keine Babys mehr. Sie liefen einfach herum und waren weg.

Und wir selbst haben einen Weg zurück ins Rollenspiel gefunden. Als Teehänder, als Bürgerliche. Als Familie. Wir stehen mit dieser Idee noch ganz am Anfang, aber das erste Mal hat mehr geklappt als wir uns ausgedacht hatten. Und dies ist nicht unser eigener Verdienst, sondern das der Gruppe. Der Kusshand einer Mutter an das Lager Ak´Marant.

Rulana Drachenberg

7 Comments

  • Hadassa
    30. Mai 2016 at 21:15

    Wie toll! Ich freue mich sehr für euch, dass ihr eine kindertaugliche Perspektive für euer Hobby gefunden habt 🙂

    Ich finde LARP total spannend.

    Liebe Grüße,
    Hadassa

    Reply
    • fadenvogel
      31. Mai 2016 at 12:44

      Cool. Mal jemanden in Israel getroffen, der Ähnliches macht?

      Reply
      • hadassa
        31. Mai 2016 at 12:54

        Jein. Ich habe gehört, dass es theoretisch eine kleine Szene geben soll, aber dass die wohl überwiegend russischsprachig ist. Also eher nicht für uns geeignet 🙂

        VG,
        Hadassa

        Reply
  • Hana Mond
    31. Mai 2016 at 09:08

    Ich freue mich, auf deinem Blog einen Larp-Beitrag zu lesen – und noch mehr, dass es gut geklappt hat mit den Kindern! Ich organisiere im Moment in kinderuntaugliches Con, aber das nächste wird wieder kinderfreundlicher.

    Reply
    • fadenvogel
      31. Mai 2016 at 12:43

      Hihi, ja, das ist mir bereits aufgefallen. Ihr seid aber mit NRW bisserl weit weg von den Südlanden,oder?

      Reply
  • carmen
    7. Februar 2017 at 11:02

    Hi fadenvogel,

    Wir haben ein ähnliches Problem wie dein mann hatte das alles zu vereinbaren miteinander .

    Würde mich gerne mal bissl mit dir austauschen . Könntest du mir mal ne email schreiben ?

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  • […] diese Technik. Wer mit den richtigen Wörtern sucht, findet seine Antworten. Ich kannte über das Rollenspiel diese Technik schon am Rande, aber erst ein Besuch in Ribe hat mich vollends […]

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